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Promenadendeck

Promenadendeck

Titel: Promenadendeck
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Reise zu verweigern, sollte man angeben?«
    »Alles besetzt, ganz einfach! Ausgebucht!«
    »Sie weiß genau, daß das nicht der Fall ist. Sie hat Suite 004 – Goethe – immer ein Jahr im voraus gebucht! Da ist gar nichts zu machen.«
    »Man könnte argumentieren: Sie gefährdet die Moral auf dem Schiff.«
    »Herr Kapitän!« Riemke verzog sarkastisch den Mund. »Wenn wir von so etwas ausgingen, dann müßten wir im Laufe der Fahrt zwanzig Prozent der Passagiere an Land setzen – mindestens! Außerdem ist die Dame jetzt sechsundsiebzig!«
    »Warten wir's ab.« Teyendorf hatte die Passagierliste auf seinen Schreibtisch gelegt und war auf die Brückennock an Steuerbord gegangen. Von hier konnte er die ganze Schiffsseite übersehen und hinüberblicken zur Gangway. Hinter den riesigen Fenstern der Halle von Pier 7 hasteten weitere Passagiere heran und setzten zum Sturm auf das Schiff an.
    Der Blinde von Bus 1 ging langsam, tastete mit seinem weißen Stock vor sich den Weg ab, obwohl ihn das Mädchen untergehakt hatte, blieb vor einem Blumenstand stehen und hob schnuppernd die Nase.
    »Gut so?« fragte er leise. Eine völlig unverständliche Frage.
    »Sehr gut, Herr Dabrowski«, antwortete das Mädchen ebenso leise.
    »Dann weiter!«
    Sie erreichten die Gangway und tasteten sich die Stufen hinauf. Am Schiffseingang streckten sich ihnen vier hilfreiche Hände entgegen.
    »Danke«, sagte Dabrowski. »Danke. Kabine 136 für mich und 313 für Schwester Beate. Glauben Sie nicht, daß ich völlig hilflos bin. In drei Tagen kenne ich das Schiff wie Sie. Wir sind hier in einer Art Halle. Ich höre es am Klang, am Widerhall. – Führen Sie uns bitte zu unseren Kabinen …«
    Kaum war Dabrowski allein in seiner Kabine, zog er die Jacke aus, warf sie aufs Bett und griff nach seiner ledernen Reisetasche. Der Steward war mit Schwester Beate unterwegs zum Atlantikdeck, wo 313 lag.
    »Herr Dabrowski ist völlig blind?« fragte er.
    »Total.«
    »Dann müssen Sie ihm alles erzählen, was Sie sehen?«
    »Darum darf ich ja mitfahren.« Beates Wangen glänzten etwas hektisch. »Meine erste große Seereise. Zweimal war ich schon auf Helgoland, aber da habe ich wenig von gehabt. Himmel, war ich seekrank! Ich habe alles nur wie durch einen Nebel gesehen.«
    »Ich auch.«
    »Sie? Als Seemann? Sie werden seekrank?«
    »Bei Helgoland immer! Ich kenne viele, die fahren auf allen Meeren – aber wenn sie von Cuxhaven nach Helgoland schippern, werden sie grün im Gesicht. Sie werden sehen, Fräulein, das ist hier im Pazifik ganz anders. Um diese Jahreszeit ist der Stille Ozean wirklich still. Mit 'n paar Ausnahmen natürlich. Die gibt's ja immer.«
    »Und die Ausnahmen erleben unter Garantie ausgerechnet wir, ist es nicht so?«
    »Auf der Fahrt von Acapulco nach Panama kann's mal schaukeln, aber das schaffen wir schon! Ich heiße übrigens Norbert.«
    »Sie sind mein Kabinensteward?«
    »Nein. Ich bin sonst in der Atlantis-Bar. Nur beim Einschiffen helfen wir alle mit. Wer Ihren Flur hat, weiß ich nicht.«
    Sie standen vor Nummer 313, die Tür war offen, die Lichter der Innenkabine brannten. Die Klimaanlage summte kaum hörbar. Aus dem im Nachttisch eingebauten Radio klang leise Musik.
    »Das Gepäck wird in etwa einer Stunde hier an Bord sein«, sagte Steward Norbert. »Wir verteilen es dann auf die Kabinen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen an Bord – sofern es ein Vergnügen sein kann, einen Blinden zu betreuen.«
    »Für mich ist es das.« Sie setzte sich in den Sessel hinter dem Tisch und dehnte die Arme. »Herr Dabrowski ist ein angenehmer Patient. Er macht vieles allein. Ich werde eine ganze Menge Freizeit haben.«
    »Das hört man gern.« Er machte eine kleine Verbeugung und lächelte sonnig. Kein übles Mädchen, dachte er fachmännisch. Ein Steward, der schon fünf Jahre auf Luxusschiffen fährt, hat da seine Erfahrungen. Nicht umwerfend hübsch, aber was soll's? Die schönen Weiber sind meistens zickig, der Durchschnitt aber ist für alles dankbar. Wenn man die Wahl hat zwischen einer Klassefrau, der die Männer nachlaufen wie hechelnde Hunde, und einem mittelprächtigen Mädchen, das oft übersehen wird – dann nehme man die Kleine an der Ecke. Ihre Freude spürst du später im Rückenmark.
    »Bis später«, sagte Beate und lächelte verhalten zurück.
    »Atlantis-Bar! Hinten auf dem Sonnendeck.«
    »Ich werd's finden.«
    Norbert schloß die Tür und eilte zurück zum Pazifikdeck, um weitere Passagiere zu ihren Kabinen zu bringen.
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