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Promenadendeck

Promenadendeck

Titel: Promenadendeck
Autoren: Heinz G. Konsalik
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frage nach.«
    Von Riemke, dem Hoteldirektor, kam die Meldung, daß noch drei Amerikaner, ein Italiener und ein Franzose, die privat anreisten, und einer der Stargäste der Reise, der Kammersänger Franco Rieti, fehlten. Rieti war zwei Tage vorher angekommen und hatte noch ein Gastspiel an der Oper von San Francisco gegeben. Als Canio im Bajazzo. Die Zeitungen schrieben, die Besucher hätten genau siebzehn Sekunden geklatscht. Rieti hatte daraufhin zu hüsteln begonnen und lief nun mit einem dicken Wollschal um den Hals herum. Die Stimmbänder sind so ziemlich das Empfindlichste in und am Menschen.
    »Wir legen pünktlich ab, Kempen«, sagte Teyendorf und ging zurück ins Ruderhaus. »Jeder hat Zeit genug, rechtzeitig an Bord zu sein.«
    Er blickte noch mal auf die Uhr, nickte stumm und verließ die Brücke. Kempen blickte ihm nach. Der Wachhabende, ein II. Offizier, setzte das Funkgerät ab, über das er gerade mit dem Sicherheitsoffizier auf dem vorderen Hauptdeck gesprochen hatte; alles war klar zum Einholen.
    »Der Alte hat heute wieder Nägel gefressen, was?« sagte er. »Ranzt mich vorhin an, weil mir die Mütze schief sitzt. Was ist denn los?«
    »Anne White ist an Bord gekommen.«
    »Für die Mannschaft eine große Freude! Nun haben sie beim Landgang wieder die Taschen voll. Und der Alte bekommt einen dicken Kopf. Beim letztenmal hat's im Mannschaftslogis zwei Messerstechereien gegeben, fast einen Mord! Natürlich haben die Passagiere nichts davon gemerkt, und eine Verbindung zu Mrs. White konnte niemand nachweisen – aber jedem hier ist bekannt, was der Grund war: fünfhundert Dollar!«
    »Diese Anne White muß eine Verrückte sein.«
    »Wie man's nimmt.« Der II. Offizier grinste breit und trat wieder an das riesige Panoramafenster der Brücke. »Auf jeden Fall hat sie einen Hormonspiegel, um den jede Dreißigjährige sie beneiden kann.«
    In der Halle des Pazifikdecks empfing jetzt Hoteldirektor Riemke die amerikanische Millionärin. Sie fiel ihm um den Hals, küßte ihn und rief mit weithallender Stimme: »Wie ich mich freue, wieder hier zu sein! Nein, und wie viele neue schicke Stewards! Und Rudi ist auch wieder an Bord. Umarme mich, Rudi!«
    Ihr Deutsch war fast akzentfrei, ihre Hemmungslosigkeit umwerfend. Rudi Pfannenstiel, der Obersteward, stand verlegen abseits, kam aber gehorsam nach vorn, umarmte Anne White und ließ sich küssen. Seine Stewards grinsten genußvoll. Es war selten, Pfannenstiel, den Diktator, außer Fassung zu sehen.
    Im Hintergrund, bei einem der Offiziere, stand ein kleiner, fast zarter Mann in einem hellgrauen Anzug und beobachtete den Auftritt von Mrs. White mit sichtbarer Verblüffung. Sein asketisches Gesicht, von graumeliertem, braunem Haar umkränzt, wirkte jetzt irgendwie ratlos.
    »Filmreif«, kommentierte er die Kußszene. »Wer ist denn das?«
    »Sie kennen Mrs. White nicht, Pater?« Der Offizier sah auf den katholischen Bordgeistlichen, der erst vor einer Stunde an Bord gekommen war, herab. Jesuitenpater Heinrich Brause, von seinem Orden für die Schiffsseelsorge abgestellt, ein Hirte auf allen Meeren, enttäuschte ihn.
    »Das ist s ie?« Pater Brause kratzte seinen Nasenrücken. »Gehört habe ich genug von ihr. Aber ich hatte noch nie die Freude, mit ihr auf einem Schiff zu fahren.«
    »Freude, Pater?« Der Offizier lächelte schräg.
    »Ja. Ich werde Mrs. White unter meine Fittiche nehmen.«
    »Das dürfte ein halbes Jahrhundert zu spät sein.«
    »Sie kennen nicht die Hartnäckigkeit der Kirche.« Pater Brause lächelte zurück. Er war bekannt für markante und sarkastische Sprüche. »Außerdem bin ich Jesuit. Einen Jesuiten abzuschütteln, ist bisher kaum jemandem gelungen …«
    In Mrs. Whites Suite Goethe, Nummer 004, erwarteten sie ein riesiger Blumenstrauß und ein Eiskübel mit Champagner. Ihr Kabinensteward Josef Kraxler, ein Urbäyer, dem die See so in den Knochen lag, daß er während des Urlaubs in seinem Heimatdorf auf den Almwiesen lag, gegen die Bergwände starrte und von Hawaii oder Tahiti träumte, begrüßte sie mit einem »No ja, da san mer ja wieder …« und ertrug tapfer ihren Begrüßungskuß.
    »Du bist noch fetter geworden!« sagte Anne White und betrachtete ihn mißbilligend. »Du weißt, ich mag keine dicken Männer. Roger White war auch so ein Fettkloß.«
    »Irgendwie muß i mi ja schütz'n«, sagte Kraxler gemütlich. »Wie i g'hört hob, daß Sie kimma, hob i g'fressen wie a Löwe.«
    »Du Gauner!« Anne White riß den riesigen
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