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Projekt Sakkara

Titel: Projekt Sakkara
Autoren: Andreas Wilhelm
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sich nur kaum wahrnehmbar. Wolfgang Morgen blieb noch einige Minuten im Arbeitszimmer, bis er sich sicher sein konnte, dass der Mann tot war. Dann eilte er durch den Salon und trat hinaus auf die Terrasse.
    »Hilfe, helfen Sie!«, rief er dort, stolperte einen Schritt vorwärts und ließ die beiden Gläser in den Pool fallen.
    Wenige Augenblicke später war er von allerlei Personal des Engländers umgeben.
    »Sir Guardner«, erklärte er erregt. »Er hatte einen Herzanfall! Im Arbeitszimmer! Schnell!« Sofort stoben alle aufgeschreckt auseinander.
    Wolfgang Morgen blieb allein am Pool zurück. Er legte eine Hand auf die Schatulle, lächelte und sagte leise: »Dabei wollte ich ihm gerade meinen Papyrus zeigen ... «

Kapitel 2
     
    27. September 2006, Congress Centrum Hamburg
     
    »Wissen ist Macht«, tönte die Stimme durch die Lautsprecher. Es war ein kleiner Saal des CCH, und er war bis auf den letzten Platz gefüllt. In den Reihen saßen Menschen aller Altersgruppen und Bevölkerungsschichten. Studentinnen mit Umhängetaschen aus Jute auf dem Schoß neben Herren mit Jackett, Hausfrauen mit Universitätsabschluss neben scheinbar ungepflegten Männern in Jeans und Turnschuhen.
    Neben dem Rednerpult stand ein hochgewachsener Mann Ende fünfzig, in einem vornehmen Anzug und mit einer Lesebrille auf der Nase. Er lehnte mit einem angewinkelten Arm auf dem Pult und ließ seinen Blick über die Anwesenden gleiten. Er machte den selbstsicheren Eindruck eines Hochschullehrers vor dem Auditorium.
    »Die wenigsten von uns wissen, was Francis Bacon mit diesem Ausspruch eigentlich meinte. Sind wir deswegen machtlos?
    Gestatten Sie, dass ich mich Ihnen kurz vorstelle. Mein Name ist Peter Lavell. Ich bin Professor für Geschichte und arbeite im wissenschaftlichen Beirat des Museums für Völkerkunde sowie als Gastdozent an der Universität Hamburg. Ich bin außerdem Anthropologe, und ich beschäftige mich mit den Zusammenhängen und der Entwicklungsgeschichte unseres kulturellen Erbes, insbesondere in Bezug auf Aberglauben und – nennen wir es ›Religiosität‹ Ein Zyniker mag sich fragen, was ich auf einer Fachtagung zu suchen habe, auf der es im Foyer T-Shirts mit dem Aufdruck ›I Want To Believe‹ oder ›Die Wahrheit ist da draußen‹ zu kaufen gibt.«
    Ein kurzes Auflachen kam aus dem Publikum.
    »Ich will es Ihnen verraten. Heute möchte ich – für diejenigen von Ihnen, die meine Aufsätze kennen, sicherlich etwas unerwartet – darüber reden, was jenseits unseres Wissens liegt. Über das, was wir nicht wissen, und über unsere Suche nach Wissen. Denn das ist es, was uns alle verbindet. Was uns Menschen seit Anbeginn antreibt und uns zu Errungenschaften geführt hat, die über die Leistungen eines einzelnen Individuums weit hinausgehen.«
    Professor Lavell trat hinter das Pult und blickte kurz in seine Notizen. Dann nahm er die Brille ab und sah wieder auf.
    »›Wissen ist Macht‹, sagte Francis Bacon. Seine Sicht war dabei eigentlich viel begrenzter als die heutige Verwendung dieses geflügelten Wortes. Ihm ging es darum, dass die Beobachtung und Erforschung der Natur nicht allein empirisch und ohne philosophische Vorbereitung vonstatten gehen sollte. Denn ohne die exakte Kenntnis und Anerkennung einer Ursache wäre eine Wirkung weder vorhersehbar noch reproduzierbar – und daher wertlos. Doch es wäre kein so verbreitetes Motto geworden, wenn nicht die Übertragung seiner Einsicht in einen größeren Kontext möglich wäre. Bacon sagt uns hier nicht nur: »Entwickelt besser vorher eine Theorie über atomare Teilchen, bevor ihr zwei Uranklumpen aufeinanderschießt.‹ Er sagt ganz grundsätzlich: »Wisst, was ihr tut, bevor ihr es tut.‹ Ein scheinbar naheliegender Rat, und Benjamin Franklin wusste glücklicherweise, was er tat, als er seine Drachen steigen ließ. Aber denken Sie an Adam und Eva: Waren sie vielleicht etwas unbedachter?
    Wir sind damit bei unserem ewigen Dilemma. Die Suche nach Wissen treibt uns an. Aber wer sagt uns, wie weit wir gehen dürfen? Denken Sie an die ethischen Fragen, die die Genforschung aufwirft. Gibt es Wissen, das unentdeckt bleiben sollte? Und wie lässt sich das entscheiden, noch bevor es so weit ist? Und falls es zu spät ist: Kann Wissen widerrufen werden?
    Einstein soll gesagt haben, das Universum und die menschliche Dummheit hätten eines gemeinsam: Sie seien unendlich. Nur sei er sich beim Universum nicht ganz sicher.«
    Verhaltenes Lachen im Publikum quittierte das
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