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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon
Autoren: Susanne Gerdom
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und lässt alle Dinge auf der Welt schwören, dass sie ihrem Sohn nichts zuleide tun werden. Alle schwören ihr das, denn, wie gesagt: Baldur ist everybody's Darling.«
    »Aber ein Ding vergisst sie zu fragen, richtig?« Ravi grinste. »Ich kenne solche Märchen auch.«
    »Die Mistel«, bestätigte Ash. »Und hier kommt der Bösewicht der Geschichte ins Spiel: Loki, der Feuergott, der Meister der Lügen. Er ist Odins Bruder, oder sein Halbbruder oder Blutsbruder – man weiß es nicht so genau. Er ist gleichzeitig ein Gott und ein Riese und hat drei richtig schlimme Kinder: Die Midgardschlange, den Fenriswolf und die Totengöttin Hel.«
    »Netter Bursche«, kommentierte Ravi. »Er tötet also den sonnigen Baldur mit der Mistel?«
    »Nein, aber er legt Baldurs blinden Bruder rein, damit der es tut.«
    »So ein mieser Kerl.«
    »Der Bösewicht, sage ich doch.« Sie reckte sich und machte Anstalten aufzustehen. Ravi hielt sie fest.
    »He, jetzt will ich den Rest auch noch hören. Odin hat dem Kerl doch bestimmt den Schädel eingeschlagen, oder?
    »Loki hat sich abgesetzt, und die Götter mussten ihn erst fangen. Dann haben sie ihn mit den Eingeweiden eines seiner Söhne an einen scharfen Felsen gefesselt und eine Schlange dazu gebracht, dass sie ihr Gift auf sein Gesicht spuckt. Seine Frau hält zwar eine Schale dazwischen, aber ab und zu muss sie ja auch mal schlafen oder für kleine Mädchen – und dann trifft das Schlangengift das Gesicht des Schurken.« Ash grinste. »Geniale Strafe, findest du nicht?«
    Ravi schüttelte sich. »Eklig. Die ganze Geschichte ist eklig. Und? Hauen sie sich am Ende alle die Köpfe ein und es ist gut?«
    Ash reckte sich. »So ungefähr. Die Welt geht unter und alles ist wieder still, dunkel und friedlich. Bloß dumm, dass wir Menschen und Midgard, unsere Welt, dabei auch draufgehen.« Sie blinzelte Ravi zu.
    Er legte die Arme um sie und küsste sie auf den Nacken, atmete ihren Geruch ein, der ihn an frischen Schnee und knackendes Eis erinnerte.
    Ash küsste ihn zurück, dann schwang sie die Beine aus dem Bett und ging durch das Atelier, quer durch die schimmernde Installation, hinter der ihre Kleider auf einem unordentlichen Haufen lagen.
    Ravi betrachtete sie mit gerunzelter Stirn. Eigentlich bevorzugte er kleine, zierliche Frauen, zurückhaltend, dunkel, still und freundlich. Ash war nichts davon. Sie war groß und hatte die Muskulatur einer Tänzerin oder Artistin. Ihre Bewegungen waren unbekümmert und weitausgreifend, sie lachte und sprach laut und schnell, sie war launisch wie das Wetter, stürmisch wie das Meer und hell wie eine Sommernacht im Norden.
    »Was war das eigentlich für ein Zeug, das du mir gegeben hast?«, fragte er die buntschillernde Silhouette, die sich am anderen Ende des Zimmers anzog.
    »Krydd«, sagte sie. »Gut, he?«
    »Nie gehört.« Er setzte sich auf und schabte mit den Fingern durch sein zerzaustes Haar. Es fiel weich, dick und glatt auf seine Schultern. Bedauerlich, dass er es bald abrasieren musste. Sehr bedauerlich. »Woher bekommst du es? Von deinem Hippie-Opa?«
    Sie stand an ihrem Rechner und hackte ein paar Befehle in die Tastatur. Die Installation flackerte und erlosch. »Welcher Hippie-Opa?«, fragte sie zerstreut.
    Er wickelte sich in einem Anfall von Schamhaftigkeit das Laken um den Leib und ging zu seinen Kleidern. »Na, der mit der Augenklappe. Der dir das Päckchen mit den Runen darauf gegeben hat.« Runen, natürlich. Warum hatte er das jetzt erst erkannt?
    »Runen?« Sie blickte auf, den Blick leer, kalt und nebelgrau auf etwas gerichtet, das nur in ihrem Kopf existierte. Er kannte diesen Blick. Sie hatte eine Inspiration für ein neues Werk und das bedeutete, dass er kein vernünftiges Wort mehr aus ihr herausbekommen würde.
    »Runen. Mein Vater hat einen Wahrsager, der benutzt die für irgendwas.«
    Ihr Blick schnappte zurück, als hätte er ein Gummiband überdehnt. Da war sie wieder, immer noch kalt und nebelgrau, aber ganz und gar im Jetzt. »Dein Vater«, knurrte sie. »Du wagst es, hier so beiläufig über deinen Vater zu reden, als hättest du uns einander vorgestellt? Du Söhnchen?!«
    Er biss die Zähne aufeinander. »Ich habe ihn mir nicht ausgesucht.«
    »Aber du springst, wenn er mit den Fingern schnippt«, fauchte sie zurück. »Oder warum hast du mich fallen gelassen wie ein Häufchen Hundedreck? Du hast mich behandelt wie eine billige Fünf-Dollar-Hure!«
    Er hob die Hand wie zum Schlag und verwandelte den Impuls in eine
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