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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon
Autoren: Susanne Gerdom
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prüfend auf seine Stiefel, an denen Feuchtigkeit glänzte. Er räusperte sich. »Ash?«
    »Was denn?«, kam die ungeduldige Antwort. »Ich ruf dich an, Bobo. Sei lieb, ich hab jetzt keine Zeit.«
    Der junge Mann straffte die Schultern und ging zur Küchentür. »Ash, ich bin's«, sagte er und trat ein.
    Zwei Gesichter wandten sich ihm zu, drei Augen musterten ihn – verblüfft und mit sprudelnd aufsteigendem Ärger die beiden dunkelblauen, ausdruckslos das silbergraue, das den jungen Mann in seiner starren Helligkeit an den Blick eines Huskys erinnerte.
    »Oh«, murmelte der Eindringling und wich zurück. »Du hast Besuch …«
    Die junge Frau stand auf und wandte ihm demonstrativ den Rücken zu. »Hau lieber ab, Opa«, sagte sie zu dem Mann am Küchentisch. »Es wird hier gleich ungemütlich.«
    Der alte Mann nickte und schob seinen knorrigen Zeigefinger unter die Augenklappe, die er über dem linken Auge trug. Seine buschige grauweiße Braue hing tief darüber und verdeckte einen Teil des schwarzen Stoffs. Er stand auf, und der Eindringling in der Küchentür konnte ein Ächzen nicht unterdrücken. Groß und breit wie ein Schrank stand der Alte in seinem weiten Mantel da, und obwohl er sich auf einen derben Stock stützte, wirkte er alles andere als gebrechlich. Wieder glitt der starre, eishelle Blick über das Gesicht des Jüngeren, der zurückwich und die Tür freigab.
    Der alte Mann stülpte einen speckigen Hut über sein Haar, das nachlässig zu einem wirren grauweißen Zopf gebunden war. Er nickte der jungen Frau zu, warf ein in Papier gewickeltes Päckchen auf den Tisch und legte grüßend zwei Finger an die Krempe, dann schob er sich an dem Neuankömmling vorbei auf den Flur.
    »Bis nächsten Mittwoch dann«, rief die Frau hinter ihm her und räumte die große Tasse weg, in der noch ein Rest Milchkaffee schwappte, und das leere Glas, dessen Bodensatz dunkelrot schimmerte. Das Päckchen verschwand in ihrer Hosentasche.
    »Ein imposanter alter Hippie, dein Opa«, sagte der junge Mann nach einem Moment des unbehaglichen Schweigens. »Ich wusste gar nicht, dass du Familie hast.«
    Die Frau wischte den Tisch ab und fegte die Krümel auf den unbenutzten Teller, der vor dem alten Mann gestanden hatte. »Hab ich auch nicht«, erwiderte sie kurz. »Also, was willst du, Ravi?«
    »Darf ich mich setzen, Ash?«, bat er.
    »Meinetwegen.« Sie knallte die Kaffeekanne auf den Tisch und schob ihm eine frische Tasse hin. »Aber fasse dich kurz, ich habe zu tun.«
    Ravi goss sich Kaffee ein und rührte Zucker in seine Tasse. Er blickte Ash an, die ihre großen Füße in den dicken Wollsocken auf den gegenüberliegenden Stuhl gestellt hatte und konzentriert in einem Skizzenblock herumstrichelte. Sie zog die dunklen Brauen finster zusammen und schloss den Mund zu einer dünnen, grimmigen Linie. Selbst ihre Sommersprossen sahen wütend aus. So zornig glich sie dem alten Mann bis aufs Haar, dachte Ravi, fand es aber uncharmant, das auszusprechen.
    Er räusperte sich. »Es tut mir leid«, sagte er.
    Sie griff ohne aufzublicken nach ihrer Lieblingstasse mit dem abgeschlagenen Henkel, der ein Tablet-PC als Untersetzer diente. Ravi musste lächeln. Ashs Umgang mit technischen Geräten war sorglos und von einer gewissen Wildheit geprägt, aber seltsamerweise nahmen die Dinge ihr den robusten Umgang nicht übel.
    »Was grinst du?«, fauchte Ash und blickte ihn endlich an. Ihre Augen, die eben noch dunkelblau gewesen waren wie die Mitte der Nacht, blitzten jetzt in einem stürmischen Nebelgrau.
    »Ihr seht euch aber doch ähnlich«, entfuhr es Ravi unwillkürlich.
    »Bist du hergekommen, um mich jetzt auch noch zu beleidigen?«
    Er hob entsetzt die Hände, winkte ab. »He, Ash. Ich will mich bei dir entschuldigen, sonst nichts.«
    Ihr Blick blieb auf ihn gerichtet und wurde nicht weicher. »Das hast du dann ja hiermit getan«, sagte sie schließlich. »Du weißt, wo die Tür ist, Ravi.«
    Er beugte sich über den Tisch und nahm ihre Hand. »Ash«, sagte er eindringlich. »Es tut mir wirklich leid. Ich hätte mich bei dir melden müssen.«
    »Das hättest du, ja.« Ihre Stimme war spöttisch, aber die Verletzung lag ganz dicht darunter verborgen, glänzend wie frisches Blut. »Du hättest auch ans Telefon gehen können. Oder eine meiner Mails beantworten. Oder mir nicht aus dem Weg gehen.« Sie zog heftig ihre Hand weg. »Ich bin dir wochenlang hinterhergerannt wie ein dummer Teenager. Ekelhaft.«
    Ravi hatte den Kopf gesenkt und
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