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Projekt Armageddon

Projekt Armageddon

Titel: Projekt Armageddon
Autoren: Susanne Gerdom
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denken?
    »Dummes Zeug«, sagte er ärgerlich. »Die Künstler, die ich kenne, laufen allesamt nicht weniger verrückt durch die Welt als du. Wenn auch nicht ganz so hübsch.«
    »Es nützt dir nichts«, erwiderte sie und gähnte. »Zu spät zum Süßholzraspeln. Du hast mich eiskalt abserviert, reicher Junge.«
    Sie rutschte herum und stemmte den Fuß gegen seine Brust, gab ihm einen spielerischen Tritt. Er hielt ihren Fuß fest und begann ihn zu massieren.
    »Die Welt wurde aus dem Fleisch eines Riesen geformt, die Berge sind seine Knochen«, sagte sie träumerisch. »Hmm. Ja. Das ist schön. Mach weiter.«
    Er küsste ihre Zehen. »Aus den Knochen eines Riesen? Wie originell.«
    Sie schnurrte vor Wonne und fuhr fort: »Seine Söhne haben ihn erschlagen, und dann haben sie aus seiner Leiche die Welt geformt: Sein Blut ist das Meer, seine Haare die Bäume, seine Zähne sind Steine und sein Hirn die Wolken.« Sie schüttelte sich, ihre Augen waren verschleiert. »Eklig«, sagte sie versonnen. »Jedes Mal, wenn ich zum Himmel sehe, hängt da Riesenhirn rum.«
    Ravi lachte und nahm ihren anderen Fuß in die Hände. »Was für einen Film hast du denn gesehen?«
    »Kein Film«, sagte sie. »Das ist die Wahrheit, so ist die Welt entstanden. Wir hier, wir leben in Midgard. Das ist unser Teil der Welt. Die Götter leben in Asgard und die Riesen in Mispellheim und Niflheim und so weiter.«
    Ravi knetete ihren Fuß. »Die Wahrheit, na ja«, sagte er. »Das ist die Sorte Wahrheit, für die man vorher was geraucht haben sollte.« Er grinste. »Wer hat dir die Geschichte erzählt?«
    »Meine Mutter, als ich noch klein war«, sagte Ash kurz angebunden. Sie angelte nach dem Weinglas, das sie auf den Boden neben dem Bett abgestellt hatte, trank einen Schluck Rotwein und schwenkte das Glas. »Blut«, sagte sie. »Es ist eine ziemlich blutige Geschichte. Willst du sie weiter hören?«
    Er nickte. Solange er hier liegen, sie ansehen und ihre Füße massieren durfte, würde er sich alles anhören, auch verrückte Schöpfungsgeschichten.
    »Also, die Asen – die Götter – haben einen Chefgott, Odin. Er hat nur ein Auge, weil er sein anderes für einen Schluck aus einer Quelle gegeben hat.« Sie legte ihre Hand auf ihr linkes Auge und blinzelte Ravi zu.
    »Teurer Schluck«, murmelte er.
    Ash ließ sich nicht beirren. »Die Riesen und die Götter haben ständig Krach miteinander. Sie belügen und bestehlen sich, spannen sich gegenseitig die Frauen aus, schließen dämliche Wetten ab und schlagen sich die Köpfe ein. Und trotzdem sind sie alle miteinander verwandt oder verschwägert.«
    Ravi gluckste. »Klingt irgendwie nach meiner Familie.«
    Ash musterte ihn düster. »Hm«, machte sie. »Na gut. Also, da sind die neun Welten, zu denen unsere Welt gehört und auch die der Götter. Die Welten werden von einer riesigen Esche zusammengehalten.« Sie lachte. »Esche. Ash. Gut, was?«
    Er verstand sie nicht, aber er lächelte und nickte, froh darüber, dass sie ihm wieder wie früher irgendwelche verrückten Geschichten erzählte, als hätte nie etwas die Verbindung zwischen ihnen gestört.
    »Es gibt nun eine Prophezeiung – in jeder guten Geschichte muss es eine Prophezeiung geben. Eine weise Frau hat den Göttern vorhergesagt, dass ihr Ende kommt, wenn die Weltesche fällt.« Sie schnurrte und bog sich Ravi entgegen. »Das ist sehr schön, was du da machst. Das solltest du noch an einer anderen Stelle versuchen.«
    Für einige Minuten war die Weltesche vergessen.
    »Und wie geht es weiter?«, fragte Ravi und nahm Ash das Weinglas weg, um selbst davon zu trinken.
    »Was? Ach so, die Geschichte.« Sie stopfte sich das Kissen in den Rücken und zog die Decke höher. Ihr Kopf lag an seiner Schulter. »Also, das erste Zeichen, dass alles den Bach hinuntergeht, ist das Verschwinden von Idun. Diese Idun sorgt mit ihren Äpfeln dafür, dass die Götter ewig jung bleiben. Sie suchen sie und finden sie bei Hel, das ist die Göttin, die über das Totenreich herrscht.«
    »Autsch«, sagte Ravi. »Das ist ungünstig.«
    »Du sagst es. Die Götter wissen jetzt, dass die Götterdämmerung naht, aber sie wollen lieber kämpfend zugrunde gehen als alt und grau zu werden und an Altersschwäche zu sterben.« Sie zupfte an Ravis Haaren. »Männer eben. Nun ist da einer von Odins Söhnen, der sonnige Baldur, den sie alle lieben, weil er so ein Herzchen ist. Dem ist geweissagt worden, dass er als erster sterben wird. Seine Mutter findet das nicht komisch
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