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Professor Bingos Schnupfpulver

Professor Bingos Schnupfpulver

Titel: Professor Bingos Schnupfpulver
Autoren: Raymond Chandler
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und Hände an seinem großen Taschentuch ab und ging um die Tür herum. Er stemmte die Schulter dagegen und biß die starken gelben Zähne aufeinander.
    Nur ein wild entschlossener Mann von gewaltiger Körperkraft konnte es schaffen. Die Tür stürzte mit schwerem, dröhnendem Krachen, von dem das ganze Haus zu erbeben schien, zu Boden. Das mannigfaltige Echo dieses Krachens verhallte langsam, hin über endlose Flure des Zweifels.
    Dann war es wieder still im Haus. Der große Mann ging in die Halle und blickte noch einmal zur Haustür hinaus.
    Er zog seinen Mantel an, rückte den steifen Hut zurecht, legte das feuchte Taschentuch sorgfältig zusammen und steckte es in die Hosentasche, zündete die von Mr. Sutton-Cornish spendierte Zigarre an, trank noch einen Whisky und schritt breitspurig zur Tür.
    An der Tür wandte er sich um und feixte mit Bedacht zur Bronzetür hin, gefällt, aber noch immer riesenhaft in dem Chaos aus gesplittertem Holz.
    »Fahr zur Hölle, von mir aus«, sagte Inspektor Lloyd.
    »Ich bin doch kein Vollidiot.«
    Er schloß die Tür hinter sich. Leichter Hochnebel draußen, ein paar trübe Sterne, eine lautlose Straße mit erhellten Fenstern. Zwei oder drei Wagen, gehobene Preisklasse offenbar. Vermutlich lümmelten sich Chauffeure auf den Fahrersitzen, doch zu sehen war niemand.
    Er überquerte die Straße im schrägen Winkel und schritt am hohen Eisengitter des Parks entlang. Durch die Rhododendronbüsche konnte er den kleinen Zierteich schimmern sehen. Er blickte die Straße auf und ab und holte den großen Bronzeschlüssel aus der Tasche.
    »Jetzt gut zielen«, sagte er sich leise.
    Sein Arm flog hoch und nach vorn. Es gab ein ganz schwaches Platschen im Zierteich, dann war es wieder still. Inspektor Lloyd schritt ruhig weiter, an seiner Zigarre paffend.
    Im Dezernat erstattete er gelassen Bericht, und zum ersten und letzten Mal in seinem Leben war darin nicht nur die Wahrheit enthalten. Konnte im Haus keinen antreffen. Alles dunkel. Drei Stunden gewartet. Müssen alle verreist sein.
    Der Chefinspektor nickte und gähnte.
    Die Erben der Sutton-Cornishs schafften es schließlich, sich das Anwesen aus der gerichtlichen Zwangsverwaltung zu holen. Sie brachen das Haus Grinling Crescent Nr. 14 auf und fanden die Bronzetür mitten in einem Chaos von Staub und zersplittertem Holz und verfilzten Spinnweben. Sie glotzten lange hin, und als sie festgestellt hatten, was es war, ließen sie Antiquitätenhändler kommen, weil sie glaubten, es springe noch ein wenig Geld dabei heraus. Aber die Händler seufzten und lehnten ab – nein, das bringt zur Zeit nichts mehr ein. Lassen Sie das Ding doch zum Einschmelzen in eine Gießerei schaffen. Da sind vielleicht noch ein paar Pfund drin. Die Händler zogen lautlos wieder ab, mit bedauerndem Lächeln.
    Hin und wieder, wenn im Vermißten-Dezernat der Kriminalpolizei ein wenig Langeweile aufkommt, holt man dort die Akte Sutton-Cornish hervor und staubt sie ab und blättert sie verdrießlich durch und stellt sie wieder weg.
    Hin und wieder, wenn Kriminalinspektor Thomas Lloyd eine ungewöhnlich dunkle und stille Straße entlanggeht, fährt er jäh herum, ganz ohne Grund, und springt mit flinker, furchtsamer Behendigkeit zur Seite.
    Aber da ist ja gar niemand, der ihn anrempeln will.
     
    Originaltitel: THE BRONZE DOOR
    Aus dem Amerikanischen von Lore Puschert
     
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