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Professor Bingos Schnupfpulver

Professor Bingos Schnupfpulver

Titel: Professor Bingos Schnupfpulver
Autoren: Raymond Chandler
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ältliche, übergewichtige und verdammt langweilige Frau. Kauf dir einen Gigolo, wenn du jemand brauchst, der um dich herumscharwenzelt. Aber verlange nicht von mir, ihm die Chance zu geben, daß er dich heiraten und mich aus dem Haus meiner Väter vertreiben kann. Und jetzt troll dich und nimm deinen elenden braunen Bettvorleger mit.«
    Sie stand schnell auf, sehr schnell für sie, und stand einen Augenblick lang fast schwankend da. Ihre Augen waren so leer wie die Augen eines Blinden. In der Stille zerrte Teddy mürrisch an einem Vorhang, mit bitterem, besessenem Knurren, das niemand von beiden bemerkte.
    Sie sagte sehr langsam und fast sanft: »Wir werden sehen, wie lange du noch in deines Vaters Haus bleiben wirst, James Sutton-Cornish – du Habenichts.«
    Sie ging sehr rasch das kurze Stück zur Tür, schritt hindurch und schlug sie hinter sich zu.
    Das Zuknallen der Tür, ein in diesem Hause ungewohnter Vorfall, weckte offenbar eine Menge Echos, die schon lange nicht mehr aufgerufen worden waren. Daher wurde sich Mr. Sutton-Cornish nicht sofort des schwachen, eigenartigen Lauts vor seiner Seite der Tür bewußt, eine Mischung aus Schniefen und Winseln mit nur noch einem Anflug von Knurren.
    Teddy. Teddy hatte es nicht bis zur Tür geschafft. Der jähe, schroffe Abgang hatte ihn ausnahmsweise einmal überrascht. Teddy war eingesperrt – mit Mr. Sutton-Cornish.
    Eine Zeitlang beobachtete ihn Mr. Sutton-Cornish ziemlich geistesabwesend, noch erschüttert von dem Wortwechsel, noch nicht voll im klaren darüber, was geschehen war. Die kleine, feuchte, schwarze Schnauze erkundete den Spalt unter der geschlossenen Tür. Hin und wieder, unter fortwährendem Winseln und Schniefen, wandte Teddy ein vorquellendes rötlichbraunes Auge wie eine dicke, feuchte Murmel dem Mann zu, den er haßte.
    Dann kam Mr. Sutton-Cornish schlagartig zu sich. Er richtete sich hoch auf und strahlte. »Ja, ja, alter Knabe«, schnurrte er. »Da wären wir also, einmal ganz unter uns Männern.«
    Arglist glomm in seinen funkelnden Augen auf. Teddy merkte es und verkroch sich unter einem Stuhl. Er war jetzt stumm, ganz stumm. Und auch Mr. Sutton-Cornish war stumm, als er hurtig an der Wand entlangging und den Schlüssel in der Zimmertür umdrehte. Dann lief er zur Nische hin, holte den Schlüssel zu der Bronzetür aus der Tasche, schloß auf und öffnete sie – weit.
    Er schlenderte zu Teddy zurück, an Teddy vorbei, hin zum Fenster.
    »Ja, da wären wir, alter Knabe. Prima, was? Einen Schluck Whisky, alter Knabe?«
    Teddy gab unter dem Stuhl einen schwachen Laut von sich, und Mr. Sutton-Cornish stahl sich sachte auf ihn zu, bückte sich jäh und stürzte vor. Teddy floh zu einem anderen Stuhl weiter hinten im Zimmer. Er atmete schwer, und die Augen traten ihm noch kugeliger und feuchter hervor als sonst, aber er war stumm, bis auf sein Schnaufen. Und Mr. Sutton-Cornish, der ihm geduldig von Stuhl zu Stuhl nachpirschte, war so stumm wie das letzte Blatt im Herbst, das in langsamen Spiralen in einem windstillen Wäldchen herabtrudelt.
    Ungefähr um diese Zeit drehte sich energisch der Türknauf. Mr. Sutton-Cornish hielt inne, lächelte und schnalzte mit der Zunge. Ein heftiges Pochen folgte. Er reagierte nicht. Das Pochen ging weiter, immer heftiger, begleitet von einer zornigen Stimme.
    Mr. Sutton-Cornish scheuchte Teddy weiter. Teddy tat, was er konnte, aber das Zimmer war schmal, und Mr. Sutton-Cornish war geduldig und ziemlich behende, wenn er es darauf anlegte. Zugunsten erhöhter Behendigkeit war er sogar willens, seine Würde preiszugeben.
    Das Pochen und Rufen draußen vor der Tür hielt an, aber im Zimmer war das Ende nicht mehr fern. Teddy erreichte die Schwelle der Bronzetür, beschnüffelte sie kurz, hätte fast ein verachtungsvolles Bein gehoben, tat es aber nicht, weil Mr. Sutton-Cornish zu nahe herangekommen war. Er sandte ein leises Knurren über die Schulter zurück und machte einen Satz über jene verhängnisvolle Schwelle.
    Mr. Sutton-Cornish sauste zurück zur Zimmertür, drehte flink und lautlos den Schlüssel um und schlich zu einem Sessel hinüber und lümmelte sich lachend hinein. Er lachte noch, als Mrs. Sutton-Cornish auf den Gedanken kam, es nochmals mit dem Türknauf zu versuchen, die Tür diesmal unverschlossen fand und ins Zimmer stürmte. Durch den Nebel seines schauerlichen, einsamen Gelächters sah er ihren kalten, starren Blick, dann hörte er sie im Zimmer umherrascheln, hörte sie nach Teddy
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