Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Professor Bingos Schnupfpulver

Professor Bingos Schnupfpulver

Titel: Professor Bingos Schnupfpulver
Autoren: Raymond Chandler
Vom Netzwerk:
Tobt nicht. Was glaubst du, geht in seinem Kopf vor?«
    Der Rundfunksprecher beendete die Werbedurchsage und legte eine weitere Platte auf. Porter Green ging durch den Raum und drehte das Gerät lauter, dann wieder leiser. »Ich glaube, ich kann es mir denken«, sagte er. »Schließlich ist das eine ziemlich alte Geschichte.« Er drehte das Gerät wieder lauter und hielt die ausgestreckten Arme geöffnet.

2
     
     
    Joe Pettigrew trat hinaus auf die Veranda, stellte das Schloß der schweren, altmodischen Haustür so ein, daß es nicht einschnappte, und zog die Tür hinter sich zu, um das Plärren des Radios zu dämpfen. Während er an der Fassade des Hauses hinaufblickte, stellte er fest, daß die Fenster geschlossen waren. Hier draußen war die Musik gar nicht so laut. Die alten Fachwerkhäuser waren ziemlich stabil gebaut.
    Er begann gerade zu überlegen, ob der Rasen gemäht werden mußte, als ein seltsam aussehender Mann auf dem betonierten Gartenweg in seine Richtung gegangen kam. Gelegentlich sieht man noch jemand in einem langen Umhang. Aber nicht auf der Lexington Avenue, nicht in dieser Gegend. Und nicht mitten am Vormittag. Er war keinesfalls neu, zweifellos recht schäbig. In einem Zustand wie der Pelz einer Katze, die sich nicht wohl fühlt. Kein Opernsänger würde sich freiwillig damit erwischen lassen wollen. Der Mann hatte eine spitze Nase und tief in den Höhlen liegende schwarze Augen. Er sah blaß aus, wirkte aber nicht krank. Am Fuße der Stufen zur Veranda blieb er stehen und blickte zu Joe Pettigrew auf.
    »Guten Morgen«, sagte er und tippte an den Rand seines Zylinders.
    »Morgen«, sagte Joe Pettigrew. »Was verkaufen Sie denn heute?«
    »Keine Zeitschriften«, sagte der Mann mit dem Umhang.
    »In diesem Haus bestimmt nicht.«
    »Auch will ich Sie nicht fragen, ob Sie ein Foto von sich haben, damit ich es mit Wasserfarben koloriere, so transparent wie Mondlicht auf dem Matterhorn.« Der Mann schob die Hand unter seinen Umhang.
    »Sagen Sie bloß nicht, Sie hätten einen Staubsauger unter diesem Mantel«, sagte Joe Pettigrew.
    »Und ich habe auch«, fuhr der Mann mit dem Umhang fort, »kein Küchenmesser aus rostfreiem Stahl in der Tasche. Was nicht heißt, daß es nicht der Fall sein könnte, wenn ich es wünschte.«
    »Aber etwas verkaufen Sie doch«, sagte Joe Pettigrew.
    »Ich verschenke etwas«, sagte der Mann mit dem Umhang. »Der richtigen Person. Ein sorgfältig ausgewähltes –«
    Der große, hagere Mann zog die Hand unter dem Umhang hervor und hielt eine Karte zwischen den Fingern.
    »Einigen wenigen sorgfältig Auserwählten«, wiederholte er. »Wer weiß? Heute bin ich träge. Vielleicht werde ich nur einen auswählen.«
    »Den Glückspilz«, sagte Joe Pettigrew. »Mich.«
    Der Mann hielt die Karte in der ausgestreckten Hand. Joe Pettigrew nahm sie und laß: »Professor Augustus Bingo.« Und in kleineren Buchstaben in der Ecke: »White Eagle Enthaarungspuder.« Eine Telefonnummer war angeführt und eine Adresse in der North Wilcox Avenue. Joe Pettigrew schnippte mit dem Fingernagel gegen die Karte und schüttelte den Kopf. »So etwas verwende ich überhaupt nicht, mein Freund.«
    Professor Augustus Bingo lächelte sehr schwach, das heißt, seine Lippen zogen sich vielleicht um einen Zentimeter in die Breite, und Fältchen erschienen in den Augenwinkeln. Nennen wir es ein Lächeln. Nicht der Mühe wert, darüber zu streiten. Er steckte die Hand wieder unter den Umhang, zog eine kleine runde Dose heraus, etwa von der Größe der Spule eines Schreibmaschinenfarbbandes. Die hielt er in die Höhe, und es stand tatsächlich darauf: »White Eagle Enthaarungspuder.«
    »Ich nehme an, Sie wissen, was ein Enthaarungspuder ist, Mister –«
    »Pettigrew«, sagte Joe Pettigrew freundlich. »Joe Pettigrew.«
    »Ah, mein Instinkt hat mich also nicht betrogen«, bemerkte Professor Bingo. »Sie haben Sorgen.« Mit seinem langen, spitzen Finger tippte er auf die Schachtel. »Dies, Mr. Pettigrew, ist kein Enthaarungspuder.«
    »Moment mal«, sagte Joe Pettigrew. »Erst ist es Enthaarungspuder, dann ist es keiner. Und Sorgen soll ich haben? Weswegen? Weil ich Pettigrew heiße?«
    »Alles zu seiner Zeit, Mr. Pettigrew. Lassen Sie mich ausholen. Dies hier ist eine heruntergekommene Wohngegend. Keine bevorzugte Lage. Aber Ihr Haus ist nicht verwohnt. Es ist alt, aber in gutem Zustand. Folglich muß es Ihnen gehören.«
    »Sagen wir zum Teil«, antwortete Joe Pettigrew.
    Der Professor hielt die linke
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher