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Professor Bingos Schnupfpulver

Professor Bingos Schnupfpulver

Titel: Professor Bingos Schnupfpulver
Autoren: Raymond Chandler
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liegt mir nicht. Ich bin der tiefgründige Typ.«
    »Ich brauche deinen Rat«, sagte Joe. »Was nicht heißt, daß er jemals etwas getaugt hätte. Die Sache ist ernst genug. Zum Beispiel das Schnupfpulver, das Professor Bingo mir zurückgelassen hat. Es wirkt. Gladys und ihr Verehrer haben mich nicht gesehen. Zweimal stand ich mitten in der offenen Tür, und sie haben mich angeschaut. Sie haben nichts gesehen. Deshalb hat sie geschrien. Wenn sie mich gesehen hätte, würde sie sich kein bißchen erschreckt haben.«
    »Sie hätte gelacht«, sagte Joseph.
    »Aber dich kann ich sehen, Joseph. Und du kannst mich sehen. Angenommen, die Wirkung des Schnupfpulvers läßt nach einiger Zeit nach? Das muß so sein, denn wie sonst sollte der Professor Geld verdienen können? Ich muß also wissen, wie lange es wirkt.«
    »Du wirst es schon erfahren«, sagte Joseph, »wenn dich jemand anschaut, während die Wirkung nachläßt.«
    »Das«, sagte Joe Pettigrew, »könnte sehr unangenehm werden, wenn du weißt, was ich denke.«
    Joseph nickte. Er wußte es sehr gut. »Vielleicht läßt es gar nicht mehr nach«, meinte er. »Vielleicht hat der Professor ein anderes Pulver, das die Wirkung aufhebt. Das könnte der Haken bei der Sache sein. Er gibt dir etwas, das dich verschwinden läßt, aber wenn du wieder erscheinen willst, mußt du mit Geld zu ihm gehen.«
    Joe Pettigrew dachte darüber nach, sagte dann aber, nein, er glaube nicht, daß das so sein könne, weil auf der Karte des Professors eine Adresse in der Wilcox Avenue angegeben sei, wahrscheinlich ein Bürogebäude. Dort gäbe es Aufzüge, und wenn der Professor auf Kunden wartete, die niemand sehen, aber doch wohl fühlen konnte, wenn man sie berührte – nein, es wäre gewiß nicht sinnvoll, seinen Geschäftssitz in einem Bürogebäude zu haben, wenn die Wirkung nicht von selbst nachließe.
    »Also gut«, sagte Joseph, und es klang ein wenig säuerlich. »Ich will nicht stur sein.«
    »Die nächste Frage«, sagte Joe Pettigrew, »ist die: Auf was alles erstreckt sich diese Unsichtbarkeit. Um es deutlicher zu sagen: Gladys und Porter Green können mich nicht sehen. Folglich sehen sie auch die Kleidungsstücke nicht, die ich trage, denn ein leerer Anzug in einer offenen Tür würde sie mehr erschreckt haben, als wenn nichts da stünde. Aber es muß irgendein System dahinterstecken. Verschwindet alles, was ich berühre?«
    »Könnte sein«, sagte Joseph. »Warum nicht? Alles, was du anrührst, entschwindet den Blicken ebenso, wie es bei deiner Person der Fall ist.«
    »Aber ich habe die Tür berührt«, sagte Joe. »Und ich glaube nicht, daß sie unsichtbar geworden ist. Und ich habe auch keine direkte Berührung mit allen meinen Kleidungsstücken. Meine Füße berühren meine Socken, und meine Socken berühren meine Schuhe. Ich berühre mein Hemd, aber nicht meine Jacke. Und was ist mit dem Inhalt meiner Taschen?«
    »Vielleicht liegt es an deiner Aura«, sagte Joseph. »Oder an deinem Magnetfeld oder einfach an deiner Persönlichkeit – soweit man davon überhaupt sprechen kann –, jedenfalls alles, was sich in diesem Bereich befindet, verschwindet mit dir. Zigaretten, Geld, alles, was dein ganz persönliches Eigentum ist, nicht aber Gegenstände wie Türen, Wände und Fußböden.«
    »Ich finde, das ist nicht sehr logisch«, sagte Joe Pettigrew etwas heftig.
    »Würde ein logisch denkender Mensch in deine Situation geraten?« fragte Joseph kühl. »Würde dieser komische Professor Geschäfte mit einem logisch denkenden Menschen machen wollen? Was ist an der ganzen Geschichte eigentlich logisch? Er sucht sich einen ihm völlig fremden Menschen aus, jemand, den er vorher noch nie gesehen oder von dem er niemals etwas gehört hat, und gibt ihm eine Gratisprobe Schnupfpulver, und der Mensch ist vielleicht der einzige in der ganzen Umgebung, der rasche und nützliche Verwendung dafür hat. Ist das alles logisch? Wo da die Logik bleibt, mußt du mir erst erklären.«
    »Somit«, sagte Joe Pettigrew langsam, »erhebt sich die Frage, was ich mit hinunternehmen soll. Das werden sie ebenfalls nicht sehen. Vermutlich werden sie es noch nicht einmal hören.«
    »Du könntest es natürlich mit einem Highball-Glas ausprobieren«, sagte Joseph. »Du könntest in dem Augenblick eines ergreifen, wenn jemand danach die Hand ausstreckt. Du würdest sehr schnell erfahren, ob es verschwindet, wenn du es berührst.«
    »Das könnte ich tun«, sagte Joe Pettigrew. Er schwieg und machte ein sehr
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