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Professor Bingos Schnupfpulver

Professor Bingos Schnupfpulver

Titel: Professor Bingos Schnupfpulver
Autoren: Raymond Chandler
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Skandal. Und nicht der depressive Typ, wie man hört. Komisch.«
    »Gibt schon sonderbare Typen in Soho«, sagte Mr. Sutton milde.
    Der Inspektor überlegte. »Alles nicht so wild. Früher mal eine üble Gegend, aber neuerdings nicht mehr. Darf ich mal fragen, was Sie dort wollten?«
    »Ich ging spazieren«, sagte Mr. Sutton-Cornish. »Einfach spazieren. Noch etwas zu trinken?«
    »Oh, Sir, also wirklich – drei Whiskys am Vormittag ... na ja, das eine Mal – danke schön, Sir.«
    Kriminalinspektor Lloyd ging wieder – mit ziemlich schlechtem Gewissen.
    Als der Besucher dann etwa zehn Minuten weg war, stand Mr. Sutton-Cornish auf und schloß die Tür zum Flur ab. Er schritt sacht durch das lange, schmale Zimmer und zog den großen Bronzeschlüssel aus der inneren Brusttasche, wo er ihn nun ständig verwahrte.
    Die Tür ließ sich jetzt leicht und geräuschlos öffnen. Für ihr Gewicht war sie gut ausgewuchtet. Er öffnete sie weit, beide Flügel.
    »Mr. Skimp«, sprach er ganz behutsam in die Leere hinein. »Sie werden polizeilich gesucht, Mr. Skimp.«
    Sein Vergnügen darüber hielt sogar bis zum Mittagessen vor.

5
     
     
    Am Nachmittag kam Mrs. Sutton-Cornish zurück. Sie tauchte unversehens vor ihm im Arbeitszimmer auf, zog mit scharfem Schnüffeln den Geruch von Tabak und Whisky ein, lehnte einen Stuhl ab und stand sehr massiv und bedrohlich dicht hinter der geschlossenen Tür. Teddy stand einen Augenblick lang still neben ihr, dann stürzte er sich auf die Teppichkante.
    »Laß das, du kleines Biest. Laß das sofort sein, Liebling«, sagte Mrs. Sutton-Cornish. Sie hob Teddy auf und streichelte ihn. Er lag in ihren Armen und leckte ihr die Nase und feixte zu Mr. Sutton-Cornish hinüber.
    »Ich habe festgestellt«, sagte Mrs. Sutton-Cornish mit einer Stimme von der Sprödigkeit ausgetrockneten Talgs, »und zwar nach zahlreichen sehr lästigen Unterredungen mit meinem Anwalt, daß ich ohne deine Unterstützung nichts erreichen kann. Freilich bitte ich dich nur äußerst ungern darum.«
    Mr. Sutton-Cornish machte kraftlose, auf einen Stuhl gerichtete Handbewegungen, und als sie unbeachtet blieben, lehnte er sich ergeben gegen den Kamin. Er sagte, das sei ihm allerdings klar.
    »Vielleicht ist es deiner Aufmerksamkeit entgangen, daß ich noch immer eine verhältnismäßig junge Frau bin. Und wir leben in der modernen Zeit, James.«
    Mr. Sutton-Cornish lächelte trübe und sah kurz zur Bronzetür hinüber. Sie hatte die Tür noch nicht bemerkt. Dann hielt er den Kopf schief und rümpfte die Nase und fragte sanft, ohne große Anteilnahme:
    »Du denkst an Scheidung?«
    »Ich denke doch wohl kaum an etwas anderes«, antwortete sie grob.
    »Und du verlangst von mir, daß ich mich in der üblichen Weise bloßstelle, in Brighton, mit einer Dame vom Theater, wie sich vor Gericht erweisen wird?«
    Sie starrte ihn böse an. Teddy starrte getreulich mit. Doch selbst dieses vereinte Starren konnte Mr. Sutton-Cornish nicht aus der Fassung bringen. Er verfügte nun über andere Mittel.
    »Nicht mit dem Hund da«, sagte er obenhin, als sie nicht antwortete.
    Sie machte ein ungestümes Geräusch, ein Schnauben mit einer Spur Fauchen darin. Dann setzte sie sich nieder, sehr langsam und schwerfällig, ein wenig verdutzt. Sie ließ Teddy zu Boden springen.
    »Was willst du damit sagen, James?« fragte sie schneidend.
    Er schlenderte zur Bronzetür hinüber, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und erforschte mit einer Fingerkuppe ihre üppigen Reliefauswüchse. Auch jetzt sah sie die Tür noch nicht.
    »Du möchtest die Scheidung, meine liebe Louella«, sagte er langsam, »damit du einen anderen Mann heiraten kannst. Das ist absolut sinnlos – mit diesem Hund. Dafür sollte man von mir keine solche Demütigung verlangen. Völlig nutzlos. Kein Mann würde diesen Hund heiraten.«
    »James – soll das ein Erpressungsversuch sein?« Ihre Stimme war ganz grauenvoll, wie ein Signalhorn. Teddy kroch zu den Gardinen hinüber und tat so, als lege er sich nieder.
    »Und auch wenn sich einer fände«, sagte Mr. Sutton-Cornish mit eigenartiger Gelassenheit in der Stimme, »dürfte ich nicht dazu beitragen. Ich müßte genug Mitgefühl besitzen –«
    »James! Wie kannst du es wagen! Mir wird speiübel bei deiner Heuchelei!«
    Zum ersten Mal in seinem Leben lachte Mr. James Sutton-Cornish seiner Ehefrau ins Gesicht.
    »Das eben waren die zwei oder drei allerdümmsten Sätze, die ich mir jemals anhören mußte«, sagte er. »Du bist eine
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