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Professor Bingos Schnupfpulver

Professor Bingos Schnupfpulver

Titel: Professor Bingos Schnupfpulver
Autoren: Raymond Chandler
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wohl zusperren und mich eine Zeitlang in Südfrankreich aufhalten. Na, na, Miss Bruggs, nun weinen Sie nicht.«
    »Nein, Sir.« Flennend trat sie den Rückzug an.
    Natürlich ging er nicht nach Südfrankreich. Es war zu vergnüglich hier an Ort und Stelle – endlich allein im Hause seiner Väter. Vielleicht nicht ganz das, was sie gutgeheißen hätten, allenfalls mit Ausnahme des Generals. Aber doch das Beste, was er tun konnte.
    Gleichsam über Nacht nistete sich im Hause das Raunen einer verödeten Stätte ein. Er hielt die Fenster geschlossen und die Jalousien herabgelassen. Das schien ihm eine Ehrenbezeugung, die zu unterlassen er sich schwerlich erlauben durfte.

7
     
     
    Scotland Yard geht mit der tödlichen Zuverlässigkeit eines Gletschers vor, und zeitweise fast ebenso langsam. So dauerte es einen vollen Monat und neun Tage, bis Kriminalinspektor Lloyd wieder in Grinling Crescent Nr. 14 erschien.
    Inzwischen hatte die Vortreppe zum Eingang längst ihre weiße Heiterkeit eingebüßt. Die apfelgrüne Tür hatte sich einen düsteren Grauschleier zugelegt. Die Messingblende um die Klingel, der Klopfer, das Schnappschloß, all das war angelaufen und fleckig wie die Messingbeschläge eines alten Frachtkahns, der um Kap Horn zuckelt. Wer am Haus klingelte, entfernte sich langsam wieder, nicht ohne Seitenblicke, und Mr. Sutton-Cornish lugte dabei durch die Ritzen einer herabgelassenen Jalousie.
    Er schmorte sich in der hallenden Küche absonderliche Gerichte, nachdem er in der Dämmerung mit schlampig zusammengepackten Lebensmitteln hereingeschlichen war. Später pflegte er sich mit tief ins Gesicht gezogenem Hut und hochgeschlagenem Mantelkragen wieder hinauszuschleichen, einen schnellen Blick die Straße auf und ab zu werfen und dann hurtig um die Ecke zu flitzen. Der diensthabende Streifenpolizist sah ihn gelegentlich bei diesen Manövern und rieb sich ob der Sachlage ausgiebig das Kinn.
    Nachgerade nicht einmal mehr ein Studienobjekt für verkommene Eleganz, wurde Mr. Sutton-Cornish Stammkunde in obskuren Speiselokalen, wo Fuhrleute in Eßnischen wie Pferdeboxen auf nackten Tischen auf ihre Suppe pusteten, in fremdländischen Cafés, wo Männer mit blauschwarzem Haar und spitzen Schuhen bei winzigen Weinflaschen endlos tafelten, und in überfüllten, unpersönlichen Imbißstuben, wo das Essen genau so müde aussah und schmeckte wie die Leute, die es verzehrten.
    Er war nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. In seinem dürren, einsamen, vergifteten Lachen hörte man Mauern einstürzen. Selbst die mageren Obdachlosen unter den Brückenbögen am Themseufer, die ihm zuhörten, weil er Kleingeld übrig hatte, selbst sie waren froh, wenn er weiterging, mit gemessenem Schritt, in ungeputzten Schuhen, elegant den Stock schwingend, den er nicht mehr besaß.
    Eines Abends spät, als er verstohlen aus der stumpfgrauen Dunkelheit heimkehrte, fand er den Mann von Scotland Yard vor den schmutzigen Treppenstufen vorm Haus auf der Lauer, mit einer Miene, als glaube er sich hinter einem Laternenpfahl verborgen.
    »Ich hätte gern ein paar Worte mit Ihnen gesprochen, Sir«, sagte er, während er rasch vortrat und die Hände so hielt, als habe er sie möglicherweise unerwartet zu gebrauchen.
    »Hocherfreut, aber ja«, stieß Mr. Sutton-Cornish kichernd hervor. »Immer rein mit Ihnen.«
    Er schloß die Tür auf, schaltete Licht an und stieg mit geübter Ungeniertheit über einen Haufen verstaubter Briefe auf dem Fußboden.
    »Hab' das Personal weggeschickt«, erklärte er dem Kriminalbeamten. »Wollte schon immer irgendwann mal ganz allein sein.«
    Der Teppich war mit abgebrannten Streichhölzern, Pfeifenasche, Papierfetzen bedeckt, und die Ecken der Halle waren voller Spinnweben. Mr. Sutton-Cornish öffnete die Tür zu seinem Arbeitszimmer, schaltete auch hier das Licht an und trat zur Seite. Der Inspektor ging behutsam an ihm vorbei und nahm den Zustand des Hauses mit scharfen Blicken in sich auf.
    Mr. Sutton-Cornish nötigte ihn in einen verstaubten Sessel, drängte ihm eine Zigarre auf, griff nach der Whiskykaraffe.
    »Dienstlich oder privat diesmal?« erkundigte er sich schalkhaft. Inspektor Lloyd hielt seinen steifen Hut auf den Knien und nahm zweifelnd die Zigarre aufs Korn. »Rauche ich später, vielen Dank, Sir ... Dienstlich, würde ich sagen. Ich habe den Auftrag, Erkundigungen über den Aufenthaltsort von Mrs. Sutton-Cornish einzuziehen.«
    Mr. Sutton-Cornish schlürfte liebenswürdig seinen Whisky und
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