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Professor Bingos Schnupfpulver

Professor Bingos Schnupfpulver

Titel: Professor Bingos Schnupfpulver
Autoren: Raymond Chandler
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großzügiges Trinkgeld, sie gingen weg, und Collins, der Butler, ließ die Haustür noch eine Zeitlang offen, um durchzulüften.
    Zimmerleute kamen. Die Sackleinwand wurde abgenommen, und die Tür wurde mit einem Holzrahmen umbaut, so daß sie Teil einer Trennwand vor der Nische wurde. Eine schmale Holztür wurde in die Trennwand eingelassen. Als das Werk vollendet und alles wieder sauber und aufgeräumt war, forderte Mr. Sutton-Cornish ein Ölkännchen an und schloß sich in seinem Arbeitszimmer ein. Dann und erst dann holte er den großen Bronzeschlüssel hervor und steckte ihn wieder in das mächtige Schloß und öffnete die Bronzetür weit, beide Flügel.
    Vorsichtshalber ölte er die Angeln nur von seiner Seite her. Dann schloß er die Tür wieder und ölte das Schloß, zog den Schlüssel ab und machte einen schönen langen Spaziergang nach Kensington Gardens und zurück. Collins und Miss Bruggs, die Hausdame, sahen sich die Tür an, während er aus dem Haus war. Die Köchin war noch nicht im Erdgeschoß oben gewesen.
    »Mir schleierhaft, was der alte Dummkopf eigentlich will«, sagte der Butler ungerührt. »Ich gebe ihm mal noch eine Woche, Miss Bruggs. Wenn sie dann noch nicht zurück ist, kündige ich. Und Sie, Miss Bruggs?«
    »Lassen Sie ihm doch den Spaß«, sagte Miss Bruggs und warf den Kopf zurück. »Diese alte Kuh, mit der er verheiratet ist –«
    »Miss Bruggs!«
    »Ah bah, Mr. Collins«, sagte Miss Bruggs und stolzierte aus dem Zimmer.
    Mr. Collins verweilte noch lange genug, um den Whisky in der großen eckigen Glaskaraffe auf Mr. Sutton-Cornishs Rauchtisch zu kosten.
    In einer hohen, nicht sehr tiefen Vitrine in der Nische hinter der Bronzetür stellte Mr. Sutton-Cornish allerlei Krimskrams auf, altes Porzellan und Nippsachen und Elfenbeinschnitzereien und ein paar Götzenfigürchen aus blankem schwarzem Holz, alles alt und so recht unnütz. Es war ziemlich armselig als Vorwand für eine so massive Tür. Er stellte noch drei Statuen aus rosa Marmor dazu. Immer noch wirkte die Nische etwas dürftig. Freilich, die Bronzetür war niemals offen, sofern nicht das Zimmer verschlossen war.
    Morgens trat Miss Bruggs oder Mary, das Zimmermädchen, zum Abstauben in die Nische, natürlich durch die kleine Tür in der Trennwand. Dies erheiterte Mr. Sutton-Cornish ein wenig, aber der Spaß nutzte sich allmählich ab. Etwa drei Wochen nach der Abreise seiner Frau mit Teddy geschah dann etwas, das ihn wieder aufmunterte.
    Ein großer, braunhaariger Mann mit gewichstem Schnurrbart und fest blickenden grauen Augen besuchte ihn und wies sich mit einer Karte als Kriminalinspektor Thomas Lloyd von Scotland Yard aus. Er sagte, ein gewisser Josiah Skimp, ein in Kennington wohnhafter Auktionator, werde zum großen Kummer seiner Angehörigen vermißt, und sein Neffe, ein gewisser George William Hawkins, ebenfalls aus Kennington, habe zufällig erwähnt, daß Mr. Sutton-Cornish am nämlichen Abend, als Mr. Skimp verschwand, in dessen Laden in Soho gewesen sei. Mr. Sutton-Cornish könnte sogar derjenige sein, der den Ermittlungen zufolge als letzter mit Mr. Skimp gesprochen hatte.
    Mr. Sutton-Cornish stellte Whisky und Zigarren hin, legte die Fingerspitzen gegeneinander und nickte ernsthaft.
    »Ich erinnere mich genau an ihn, Inspektor. Ich kaufte ja damals diese merkwürdige Tür dort bei ihm. Kurios, nicht?«
    Der Inspektor blickte zur Bronzetür hin, ein kurzer, leerer Blick.
    »Nicht mein Geschmack, Sir, ich bedaure. Dabei fällt mir ein, daß tatsächlich von der Tür gesprochen wurde. Sie bekamen sie kaum vom Fleck. Sehr milder Whisky. Sehr mild, wirklich.«
    »Bitte bedienen Sie sich, Inspektor. Mr. Skimp ist also spurlos verschwunden. Tut mir leid, daß ich Ihnen nicht helfen kann. Genau genommen kannte ich ihn ja gar nicht.«
    Der Inspektor nickte mit dem großen braunen Kopf. »Das habe ich auch nicht angenommen, Sir. Scotland Yard bearbeitet den Fall erst seit zwei Tagen. Nur die üblichen Fragen. Zum Beispiel: Wirkte er erregt?«
    »Er wirkte müde«, sagte Mr. Sutton-Cornish nachdenklich. »Als hätte er alles satt – vielleicht das ganze Auktionsgeschäft. Ich sprach nur ganz kurz mit ihm. Über die Tür eben. Ein netter kleiner Mann – aber müde.«
    Der Inspektor gab sich gar nicht erst mit einem weiteren Blick auf die Tür ab. Er trank seinen Whisky aus und genehmigte sich noch einen weiteren Schluck.
    »Keine familiären Probleme«, sagte er. »Nicht viel Geld, aber wer hat das schon heutzutage? Kein
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