Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
in wenigen Minuten neben dem silbernen Fisch zu liegen, wurde in ihm der Durst. Er hob den Kopf, schnupperte in die Nachtluft und stellte ergriffen fest, daß selbst der Wind nach Alkohol roch. Aber es war nur sein eigener Atem, den er roch. Desungeachtet breitete er die Arme weit aus und starrte in den runden Mond. Noch einmal trinken, dachte er. O verflucht, man hätte noch einmal trinken sollen, ehe man sich davonmacht aus diesem Mist!
    Am Ufer fand man jetzt seine weggeworfene Jacke. Ein Hund bellte kurz und knurrte dann, ein Suchhund an einer langen Lederleine.
    »Kaul!« riefen drei Stimmen zugleich. »Peter Kaul! Machen Sie keine Dummheiten! Kommen Sie her! Wir finden Sie doch!«
    Peter Kaul duckte sich. Wie er ihn haßte, diesen deutschen Beamtenton. Wir finden Sie doch! Das klang wie: Dein Kopf ist unser! Oder: Wir reißen dir den Hintern auf bis zum Kragenknopf!
    Warum hast du das getan, Susanne, weinte er innerlich. Warum hast du die Polizei geholt, mit Suchhunden auch noch? Warum läßt du mich nicht sterben? Jubeln solltet ihr doch, die Wohnung mit Girlanden schmücken, eure Sonntagskleider anziehen, um den Tisch tanzen und singen: Endlich ist er weg! Er ist weg, juchhei, weg, juchhei! Aber nein … die Hunde hetzt ihr auf mich, als sei ich ein Mörder, ein Sexualverbrecher, ein Kinderschänder.
    Gott, mein Gott, wie hasse ich sie alle, alle …
    Noch einmal sah er in den Mond, über den Wald, drehte sich um zu dem toten Fisch und nickte ihm, dem Gefährten, zu. »Bis gleich, Fisch!« sagte er leise. »Gleich haben wir es überstanden.«
    Dann sprang er vorwärts, in den Mondschein hinein und in die Tiefe des Flusses.
    »Halt!« schrie jemand am Ufer. »Peter Kaul, bleiben Sie stehen!«
    Er hörte hinter sich das Wasser platschen, er vernahm ein lautes Hecheln, das Knirschen von Stiefeln auf dem nassen Kies. Da rannte er weiter, mit offenem Mund, die Augen gegen den Mond gewendet … das Wasser stieg zur Hüfte, zum Leib, zur Brust, zum Hals … da erhielt er einen Schlag auf den Kopf und wurde zurückgerissen.
    »Ihr Lumpen!« brüllte er und schlug um sich. »Ihr Saukerle! Ihr Hurenböcke! Laßt mich, laßt mich doch …«
    Es war einfach für die beiden Polizeibeamten, den tobenden, nackten Mann zu überwältigen. Sie zogen ihn aus dem tiefen Wasser ins seichte, und als Peter Kaul noch immer um sich schlug, gaben sie ihm einen Boxhieb unter das Kinn. Er sackte zusammen, wurde aus dem Fluß geschleift und am Ufer von einem anderen Beamten in eine Decke gehüllt. Dann trugen sie ihn zu einem Sanitätswagen, der oben auf dem Uferweg wartete, schnallten ihn auf einer Trage mit Riemen fest und schoben ihn in das Auto.
    »Zur Klapsmühle!« sagte einer der nassen Polizeibeamten und schüttelte sich. »Solche Rindviecher sollte man sich ruhig ersäufen lassen. Nun krieg' ich wieder 'nen Schnupfen!«
    Peter Kaul erwachte nicht so schnell, wie man gedacht hatte. Es war, als sei sein Gehirn froh, nicht denken zu müssen. Ohnmächtig wurde er in der Landesheilanstalt ausgeladen und in das Aufnahmezimmer getragen. Dort sah ihn der wachhabende Arzt an, ein junger Stationsarzt, der sich ärgerte, heute Nachtdienst zu haben, denn er hatte sich etwas Besseres vorgenommen, als erregten Geisteskranken Beruhigungsinjektionen zu verabreichen. Er wollte mit Lydia ins Kino und dann auf seine Bude gehen. Aber der Oberarzt hatte ihm dieses Abenteuer versalzen. Ist es ein Wunder, wenn man dann mürrisch wird?
    »Selbstmörder?« fragte der junge Arzt. »Und Alkoholiker? Zu Zimmer siebzig. Ab!«
    Der Sanitäter zögerte. »Der Mann ist unterkühlt, Herr Doktor«, sagte er. »Er hat 'ne ganze Zeitlang nackt in der Ruhr gestanden.«
    »Wenn schon! Schnaps wärmt, und im eigenen Mief wird er schon auftauen! Ab in Zimmer siebzig!«
    So kam Peter Kaul in das Zimmer, in dem bereits elf Säufer in den Betten lagen. Ausgehöhlte, vom Alkohol zerfressene, stumpfsinnig oder tierisch gewordene Deliriumkranke. Die Türen der Hölle waren hinter ihm zugeschlagen.
    Aber noch wußte er es nicht.
    Er lag auf seinem Bett, nackt, von einer braungrauen Anstaltsdecke notdürftig gewärmt, und glitt von der Ohnmacht hinüber in einen tiefen Schlaf.
    Zwei seiner Zimmergenossen saßen in ihren Betten und starrten den nackten neuen Mann an.
    »Wetten, der hat im Stadtpark gestanden und hat die kleinen Mädchen erschreckt!« sagte der eine und lachte meckernd und schrill. Der andere schob die Unterlippe vor wie eine Schaufel. Dann leckte er sich über
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher