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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ein gutes Werk.
    Und dann kam Hubert Bollanz.
    Bollanz, der damals auf der gleichen Sohle unter Tage Schlepper war. Er hatte gesehen, wie Milbach starb, er hatte sich gemerkt, daß die Kabelenden nicht isoliert waren. Und er bekam auch heraus, wo Peter Kaul nach seinem Weggang von der Zeche ›Amalia‹ arbeitete.
    Der erste Brief war kurz. »Lieber Kumpel Peter«, stand darin, »wenn man einen Menschen getötet hat und keiner weiß was davon, nicht die Frau, nicht die Kinder, nicht der neue Chef, dann ist das etwas wert, nicht wahr? Es ist doch klar, daß du damals nur einen wüsten Bammel gehabt hast, daß du in Wirklichkeit schuld bist und daß der liebe gute Milbach noch lebte und fünf Kinder ihren lieben Papi hätten, wenn du nicht zu faul gewesen wärst, noch vor dem Mittag die Enden zu isolieren! Was glaubst du, was passiert, wenn das der Personalchef der Marsellus-Werke erfährt! Aber nichts für ungut … alles hat seinen Preis, und du willst ja ruhig und ehrbar weiterleben …«
    Nach diesem Brief war Peter Kaul zwei Tage lang arbeitsunfähig. Er soff nur noch und fand bestätigt, was er immer gesagt und immer wieder bekämpft hatte: Ich bin ein Mörder!
    Und dann zahlte er. Nach zähen Verhandlungen mit Hubert Bollanz zahlte er zwanzig Prozent des Wochenlohnes. Und Bollanz schwieg. Aber diese zwanzig Prozent waren nicht das schlimmste. Dreißig Prozent vertrank er jeden Freitag, denn jeder Freitag erinnerte ihn automatisch daran: Du hast einen Menschen auf dem Gewissen! Fünf Kinder hast du zu Waisen gemacht! Ein Gedanke, an dem er systematisch jeden Freitag zerbrach, weil er keine innere Kraft zur Gegenwehr mehr hatte.
    »So ist das, Herr Pfarrer!« stammelte Kaul nach der gestotterten Erzählung. »Es zerreißt mich einfach. Und seitdem geht es so, jeden Freitag muß ich zur Post und auf Huberts Konto einzahlen. Zwanzig Prozent. Seit zwei Jahren. Und dann kam es über mich … verstehst du das? Ich muß saufen, ich kann nicht mehr anders … die Angst, es könnte herauskommen … und dann zu Hause, die Frau, die Kinder, die Abzahlungen, die Schulden, ich arbeite und arbeite, und ich komme nicht weiter, im Gegenteil, es wird immer schlimmer. Da muß ich doch saufen! Verdammt, sag, daß ich saufen muß!« Er sprang auf, schwankte und fiel dann wieder in den Sessel zurück.
    »Zeig diesen Hubert an!« sagte Pfarrer Merckel laut.
    »Dann brummt er, jawohl! Aber ich bin meine Stellung los! Und alle werden mich scheel ansehen! Alle! Auch Susanne. Es weiß doch keiner … es darf doch keiner wissen … ich habe doch immer gelogen …« Er fiel wieder nach vorn auf die Tischplatte und weinte laut.
    Pfarrer Merckel ließ ihn liegen und räumte die Flaschen und die Gläser weg. Wie kann ich ihm helfen, dachte er. Man kann alles, was ihn belastet, aus dem Weg räumen … die Lüge, die Angst, die Sorgen, diesen Hubert … bleiben wird der Alkohol! Sein Körper ist zu sehr vergiftet, um auch dieses Letzte von sich zu stoßen. Er wird immer weitertrinken, er kann einfach nicht anders … wie ich. O Gott, verzeih mir … Wie ich. Du kennst mich. Ich bin ein heimlicher Sünder und doch dein treuester Diener …
    Pfarrer Merckel schwankte durch das Zimmer, öffnete die Fenster, um zu lüften, dehnte sich in der kühlen Nachtluft und fühlte, wie es um seine Stirn klarer wurde. Er faßte Peter Kaul unter, schleifte ihn ans Fenster und schüttelte ihn.
    »Nach Hause!« stammelte Kaul. »Ich will nach Hause! Ich –«
    Die Dunkelheit war gnädig genug, die beiden schwankenden Gestalten zu bedecken. Pfarrer Merckel brachte Peter Kaul bis an die Wohnungstür, er schellte für ihn und schob ihn an der entsetzten und dann versteinerten Susanne vorbei in den Flur.
    »Wir reden morgen darüber«, sagte er. »Bringen Sie ihn ins Bett … er ist ein armer Mensch, der Mitleid verdient.«
    Susanne schloß die Tür hinter Pfarrer Merckel und sah dann ihren Mann an. Haß und Ekel stiegen in ihr hoch. Sie stieß die Schlafzimmertür auf und gab Peter einen Stoß gegen die Rippen. Grunzend schwankte er zum Bett und fiel mit dem Gesicht zuerst in die Kissen. »Susi …« rief er dabei.
    In Susanne war eine schreckliche Kälte. Sie hatte keine Tränen mehr, keine Anklagen, keine Worte. In ihr war Entschlossenheit, die auf nichts mehr reagierte.
    »Ich gehe!« sagte sie zu der sich auf dem Bett krümmenden Gestalt. »Noch diese Nacht gehe ich. Mit den Kindern. Wohin? Das geht dich nichts an. Ich kann arbeiten, ich kann für mich selbst
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