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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sonntag schlafe ich mich aus … das ist mein gutes Recht. Oder nicht? Soviel ich weiß, hat Gott so etwas gesagt wie: Am Sabbat sollst du ruhen …«
    »So ähnlich! Ist schon lange her, seit Sie das letztemal in der Bibel gelesen haben?«
    »Ja.«
    »In der Bibel stehen schöne Sprüche, mein Lieber. Wenn man sich nach ihnen richtet, wird das irdische Leben zum Paradies. Leider wird's dann auch langweilig.«
    Peter Kaul starrte zu Pfarrer Merckel hinauf. Was soll das, hieß der Blick. Spricht so ein Seelsorger? Warum redest du mit mir wie mit einem gefährlichen Irren? Bin ich schon so weit?
    Kaul atmete tief auf und wollte sich erheben. Aber die Hand des Pfarrers drückte ihn in den Sessel zurück. Es war ein Griff, gegen den sich Peter Kaul wie ein knochenloser Fleischabfall vorkam. Diese Kraft, dachte er und starrte auf die singende Wacholderflasche. Verdammt, man sollte zugreifen und sie an den Hals setzen. Dann wäre man auch so stark! Man kann Welten aus den Angeln heben, wenn man gesoffen hat.
    Pfarrer Merckel schien die Gedanken seines Gastes zu kennen. Er umkreiste den Tisch ein paarmal in stummer Versunkenheit, blieb dann stehen und hüstelte. Seine Kehle war trocken, es ließ sich nicht leugnen. Noch weniger ließ sich leugnen, daß er bisher standhaft gewesen war, daß er einen heroischen Kampf gefochten hatte, den Gott anerkennen mußte. Wenn er jetzt schwach wurde, so war auch dies nur ein Opfer, die zerrüttete Seele seines Gastes bloßzulegen. Der Zweck heiligt die Mittel, sagte einmal ein gottloser Diplomat. Im Grund genommen war er ein kluger Mann. Man kann nicht alles mit Gottes Wort allein tun … man muß einem Menschen, will man ihn kennenlernen, menschlich kommen.
    Als Pfarrer Merckel soweit war, seufzte er leise, bat noch einmal innerlich um Vergebung, beschimpfte sich, daß er mit rhetorischen Winkelzügen seine offensichtliche Schuld überdecken wolle und beugte sich zu Peter Kaul vor.
    »Einen Korn, mein Lieber?« fragte er und griff nach der Flasche.
    »Nein, danke.« Die Stimme Kauls war heiser und wie mit Schimmel belegt. »Ich trinke nicht.«
    »Warum lügen Sie schon beim ersten vollständigen Satz Ihren Seelsorger an, Peter?« Pfarrer Merckel schüttete das Glas bis oben hin voll und goß sich selbst auch ein Glas ein. »Prost!«
    »Prost …« Peter Kaul ergriff das Glas, seine Hände zitterten, der Alkohol schwappte über und lief über seinen Handrücken. Da trank er das Glas schnell aus, er kippte es, wie der Fachmann sagt, und er leckte den Alkohol vom Handrücken ab, als er das Glas wieder auf den Tisch zurückgestellt hatte.
    »Das tut gut, was?« sagte Pfarrer Merckel und setzte sich Kaul gegenüber. »Noch einen?«
    »Danke, Herr Pfarrer.«
    »Lüge! Ihr Adamsapfel zuckt vor Gier! Ich kenne das doch mein Lieber! Warum genieren Sie sich? Heute ist doch Freitag …«
    Das Gesicht Peter Kauls verfiel deutlich. Es wurde bleich, knöchern, wie durchleuchtet. Die Augen erstarrten, der Blick wurde wäßrig-trüb. Er griff zum Glas, das Pfarrer Merckel wieder gefüllt hatte, und kippte den Alkohol mit weit offenem Mund in sich hinein.
    »Was … was wollen Sie von mir, Herr Pfarrer?« fragte er heiser.
    »Ihre Beichte, Peter Kaul. Wir sind ganz unter uns, niemand hört uns, nur Gott … und Gott können Sie alles anvertrauen – er schweigt!«
    »Ich habe nichts zu beichten.«
    »Was ist mit Freitag?«
    Peter Kaul starrte den Pfarrer an und griff zur Flasche. Ohne zu fragen, goß er sich ein und trank in einem gierigen Zug. Dreimal wiederholte sich das, und Pfarrer Merckel ließ es geschehen.
    »Nichts ist mit Freitag!« sagte Kaul laut. Seine Zunge vibrierte bereits. In seinem Hirn drehte sich wohltätig der Nebel. Wie wenig braucht man doch, um glücklich zu werden, dachte er. Fünf Korn nur, und die Welt wird leicht wie ein Daunenbett. »Freitag gibt es Löhnung, weiter nichts.«
    »Warum saufen Sie?«
    »Weil's schmeckt.«
    »Dann prost!«
    Er goß wieder ein. Peter Kaul starrte seinen Pfarrer an. Er säuft ja auch, dachte er entgeistert. Kreuzdonnerwetter, er hält ja mit. Der Alte faßt die Flaschen an, als streichele er sie. Gott verdammt noch mal, der Pfarrer säuft …
    Sie sprachen nicht mehr, sie tranken. Die Flasche Korn leerte sich, man ging über zum Doppelwacholder … Als die Flaschenmitte erreicht war, stieß man mit den Gläsern an und lachte über Bemerkungen wie »Das geht bis in'n kleinen Zeh« oder »Das beste Konservierungsmittel ist der Schnaps«. Kurz bevor
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