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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Rückwand des Flurs zurückzutreten. »Ich habe gar keine Lust, in euren Schweinestall einzudringen. Wenn euch das Wasser bis zum Hintern steht, werdet ihr sowieso frieren und aufmachen.«
    Hinter der Tür begann eine laute Geschäftigkeit. Betten und Schränke wurden weggerückt. Jemand fluchte gottserbärmlich. Dann schob sich die Tür einen Spalt weit auf, Wasser schoß aus der Ritze, ergoß sich über den Flur und umspülte die Schuhe des Professors, der seine Füße sofort hochzog.
    In der Tür erschien ein Gesicht, oder vielmehr der Alptraum eines Gesichts. Ein Kopf, an den Seiten wie in eine Presse geraten und zusammengedrückt, wulstige, breite Lippen, hervorquellende Basedow-Augen und darüber, wie gebleichtes Moos, weiße kurze Haare. Das Gesicht eines Riesenkarpfens.
    Die Augen starrten rollend auf Dr. Linden, der Fischmund klappte weit auf.
    »Unser Doktor …«, stotterte der Mann.
    »Emil, der Fisch.« Dr. Lindens Stimme war völlig ruhig. Er gab sich alle Mühe, seine Verblüffung nicht zu zeigen. »Guten Tag, Emil. Sag mal, was machst du hier für einen dämlichen Rummel? Hast du deine ganze gute Erziehung vergessen?«
    »Wer ist Emil?« fragte aus dem Hintergrund Prof. Brosius.
    »Ein guter, lieber Freund von mir, Herr Professor.« Dr. Linden sah sich kurz um. Emil, der Fisch, hatte die Tür weiter geöffnet. Judo-Fritze konnte in das völlig demolierte Zimmer sehen. Auf einem Tisch lag gefesselt der Pfleger Heimann. Nackt, aber noch gesund. Drei Männer standen hinter ihm, in der Hand die aus Blech geschliffenen Messer.
    »Ein Freund?« stotterte Brosius und sah den Riesenkarpfen an. »So etwas?«
    »Eine liebe, gute Seele, solange man ihn nicht reizt.«
    »Das sieht man!«
    »Wir haben zusammen im Bunker gelegen, auf dem feuchten Betonfußboden, nur eine dünne Decke unterm Hintern, und haben Wermut gesoffen. Was, Emil? Und die Gräfin saß daneben und spritzte sich viermal am Tag Saft in die Schenkel. Und dann kam die Polente und nahm uns mit in der ›Grünen Minna‹. Und das Begräbnis von dem armen Jim, dem Kamel. War das feierlich, was?«
    Emil, der Fisch, nickte. »Die Gräfin ist tot …«, sagte er mit bedeckter Stimme.
    »Tot?«
    »Ist von der Hohenzollernbrücke in den Rhein gehüpft. Die hat dich heiß geliebt, Doktor. Und als du abgehauen bist … also, schön war das nicht!«
    »Wer ist denn die Gräfin?« stammelte Brosius auf seinem von Wasser umflossenen Stuhl.
    »Meine Geliebte in der Unterwelt.« Dr. Linden schüttelte den Kopf, als er in Brosius' Augen sah. »Nein, Sie werden das nie verstehen, Herr Professor. Sie haben zwar seit dreißig Jahren mit Trinkern zu tun, aber immer nur hier, in Ihrer sauberen Anstalt, in der strengen Ordnung einer Klinik. Trinker in der Uniform der LHA. Trinker, die wie Lämmchen herumhüpfen. Trinker, die brav sind wie holzgeschnitzte Madonnen. Aber was da draußen los ist … in den Kellern und Gossen, in den Bunkern und unter Brücken, in den Absteigen und Asylen, in alten Baracken oder abgelegenen Scheunen, das kennen Sie nicht. Aber ich! Ich habe unter ihnen gelebt, mit ihnen gesoffen. Nun sehen Sie mich nicht an wie den leibhaftigen Satan, Herr Professor! Ich habe zu allem auch noch gelernt, ehrlich zu sein. Bis zum Erbrechen ehrlich. Da …«, er zeigte auf das Fischgesicht Emils, »… wo diese Männer ihre Heimat haben, gilt nur die Ehrlichkeit! Wenn jemand den anderen betrügen würde, man würde ihn totschlagen! Im Elend, im Sumpf sind die Menschen wie die Ratten. Sie halten zusammen wie Pech und Schwefel.« Er wandte sich wieder zu Emil und trat näher an die Tür.
    »Jutta ist also tot?« fragte er. »Und René, der Kavalier?«
    »Der ist auch weg von uns. Der hat einen neuen Job. Dem geht es so blendend, daß er jetzt einen eigenen Wagen fährt. Kreuz und quer durch Deutschland, und ab und zu auch in die Schweiz oder nach Belgien und Holland … überall, wo Saison ist oder eine Ausstellung. Er ist Imker geworden.«
    »Imker?« fragte Dr. Linden erstaunt. »René ein Imker?«
    »Ja.« Emil, der Fisch, grinste. »Er hat drei Bienen laufen …«
    An der Flurwand lachte Judo-Fritze dröhnend. Brosius sah ihn strafend an, aber das überging er. Dr. Linden reichte durch den Türspalt Emil, dem Fisch, die Hand.
    »Darf ich nicht reinkommen, Emil?« fragte er dabei.
    »Sie ja, Doktor! Aber die anderen nicht.«
    »Die haben auch gar kein Verlangen danach.«
    Emil trat zurück. »Laßt den Heimann los«, sagte er zu den drei Männern neben dem
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