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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nackten Pfleger. »Das hier ist mein Freund.«
    »Einer von den weißen Hunden ist er!« schrie einer.
    »Schnauze!« Emil angelte einen Stuhl aus dem Gewirr der zerschlagenen Möbel, putzte ihn mit dem Jackenärmel ab und stellte ihn in das handhohe Wasser. »Bitte, Doktor.«
    »Danke, Emil.« Dr. Linden setzte sich. Das Wasser lief in seine Schuhe, das Leder quoll auf. Um später keine Schwierigkeiten zu haben, zog er die Schuhe und Strümpfe aus und ließ die nackten Füße wieder im Wasser baumeln. Die Schuhe warf er an die Wand. Die zwanzig Männer um ihn herum staunten und starrten ihn an wie ein Wundertier. Emil, der Fisch, atmete pfeifend. Er war Asthmatiker.
    »Was soll der Blödsinn, Emil?« fragte Linden. »Becken von der Wand, sich benehmen wie die wilden Säue, den Pfleger entmannen wollen … wo ist deine Erziehung geblieben? Wenn du dich so im Bunker benommen hättest … Junge, hätte man dir das Fell vollgehauen!«
    »Ich will hier raus, Doktor.« Emil setzte sich auf eine Tischkante. »Du kannst das am besten verstehen. Warum bin ich hier? Ist es verboten, auf 'ner Wiese zu liegen und zu singen? Und warum soll ich nicht saufen? Wem schade ich damit, außer mir selbst? Ich habe mich immer anständig benommen, Doktor, das weißt du. So'n bißchen Singen, mein Gott, ist denn keine Freude mehr unter den Menschen? Ich habe mich immer wie ein Mensch benommen, das mußt du zugeben, Doktor! Und nun lochen sie mich ein, in die Klapsmühle! Also, was zuviel ist, ist zuviel. Da drehe ich durch. Da zeige ich denen mal, was ein Säufer alles anstellen kann! Mich regt nichts mehr auf als Ungerechtigkeit!«
    »Da hast du recht, Emil.«
    »Ich habe recht, sagt mein Freund, der Doktor!« rief Emil, der Fisch. Die anderen Trinker klatschten laut Beifall. Einer schrie:
    »Alles Lüge! Ist nur'n Trick von dem Weißen! Besoffen mit Worten will er uns machen! Aber wir wollen alle 'ne Pulle! Ich habe Durst, Gott verflucht noch mal!«
    »So etwas hätten wir bei uns im Bunker nie geduldet, Emil«, sagte Linden ruhig. Emil, der Fisch, schob die wulstige Unterlippe vor. Ein nachdenklicher Karpfen – ein Naturphänomen. Dann nickte er stumm, tappte durch das Wasser zu dem Schreier und fegte ihn mit einer ungeheuren Ohrfeige in die Ecke. Mit einem Laut, wie das Piepsen von hundert Mäusen, sank er ins Wasser und blieb dort auf den Knien hocken. Blut lief ihm aus der Nase, und plötzlich weinte er und rief kläglich: »Mutter! Mutter! O Mutti, wo bin ich?«
    Emil, der Fisch, kehrte zu Linden zurück. »Jetzt ist Ruhe, Doktor.« Das Rauschen der Wasserleitung verstummte ebenfalls. Im Keller hatte man die Hauptrohre zugedreht. Nun war das ganze Haus der Alkoholiker ohne Wasser. Auch in der Küche standen die Spülmaschinen still. »Können wir nun verhandeln?«
    »Natürlich, Emil. Aber über was?«
    »Über meine Freilassung.«
    »Das bestimme nicht ich.« Linden zog die nackten Füße aus dem Wasser. Er fror. »Du bist ein Rindvieh, weißt du das? Hättest du dich still verhalten, wärest du in zwei Monaten entlassen worden. Jetzt kannst du erst mal wegen Widerstand und Sachbeschädigung brummen!« Linden schüttelte den Kopf. »Wie kann man sich bloß so gehenlassen, Emil?«
    Emil, der Fisch, senkte den Kopf. Der ganze Jammer seiner Lage brach über ihm zusammen. Er schielte zu dem noch immer gefesselten und nackt auf dem Tisch liegenden Pfleger Heimann und wagte gar nicht daran zu denken, was geschehen wäre, wenn er ihn hätte wirklich entmannen lassen. Heimann wäre vielleicht verblutet, und das wäre Mord gewesen. Emil und ein Mord! Er hob die Schultern und schauerte zusammen. Es war, als sei er aus einer anderen, fürchterlichen Welt zurückgekehrt zu seinem eigenen Wesen. Und das war von Natur aus sanft, geduldig, leutselig und primitiv. Ein Leben der Einfalt, in dem der Gedanke an Mord nie Platz hatte.
    »Was nun, Doktor?« fragte er kläglich.
    »Du hast dich ganz schön in den Dreck gesetzt, Emil.« Dr. Linden klopfte ihm auf die zuckenden Schultern. »Das wird noch lange an dir stinken.«
    »Ich weiß, Doktor.« Emil, der Fisch, hatte Tränen in den hervorquellenden, rotunterlaufenen Augen. Die anderen Insassen von Zimmer siebzig standen unbeweglich wie die Statuen an den Wänden. Ihre Ernüchterung war schon längst gekommen. Das eiskalte Wasser, in dem sie standen, trug dazu bei. Auch sie hatten den gleichen Gedanken, den Emil nun angstvoll aussprach.
    »Lieferst du uns dem Riesenaffen aus?«
    »Welchem
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