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PR Tefroder 03 - Die Stadt der tausend Welten

PR Tefroder 03 - Die Stadt der tausend Welten

Titel: PR Tefroder 03 - Die Stadt der tausend Welten
Autoren: Wim Vandemaan
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sichtete Papiere, beglaubigte, vervielfältigte oder archivierte sie. Ja, um die Wahrheit zu sagen, er archivierte viel mehr, als er beglaubigte oder vervielfältigte. Auf seinem Schreibtisch landete der Wust von Staatspergamenten, denen keine entscheidende Bedeutung mehr zukam.
    Er vermerkte ihre Bedeutungslosigkeit und legte sie ab.
    Aus seinem Fenster im Verwaltungstrakt schaute Ghon Oiphan auf den Hafen der Stadt hinab, jenen See, der vom Fluss Nipus gespeist wurde, auf die klippenbewehrte Ausfahrt Richtung Meer. Blickte auf die grauen Felsen und die Festungen darin, die eisernen Verteidigungsnester gegen die unzähmbaren Konos.
    Tat seine Arbeit, ordnete den Schreibtisch und machte sich auf den Heimweg, wenn Apsu - der Stern, den die Terraner Sol nennen - hinter den granitenen Vorhang des Gebirges niederfuhr und die Mondsichel Suens durch den Himmel schnitt.
    Tat seine Arbeit, schaute aus dem Fenster und dachte: Was hält mich hier?
    Ghon Oiphan wohnte, wie fast alle Lemurer von Olegaris, in einem geduckten, geradezu stiernackigen Haus, einem schmucklosen und reinen Gebäude.
    Schultereng ging es zu in den meisten Straßen von Olegaris; Kiepenhändler drängten sich, ihre Tragkörbe voll von glitzernden Fischen, Holhol-Eiern, Kühlpfeifen und Relais für die neuesten Dampfrechner. Oiphan zwängte sich, drückte sich an die Wand, wenn die Patrouillen kamen, die Männer, manchmal halbe Kinder, mit ihren Eisenhelmen und dem Emblem ihrer Einheit auf der linken Brustseite, dem Raubvogel mit den ausgebreiteten Schwingen, der den Kopf nach oben reckte und mit
    seinen Füßen in den Flammen stand.
    Oiphan ging weiter im Licht der elektrischen Laternen.
    Wuchtige Vorbauten überspannten die wenigen breiten Transportstraßen, die schweren Fallgatter einsatzbereit. Ghon Oiphan passierte sie mit gemischten Gefühlen: Stolz auf die Uneinnehmbarkeit der Stadt, Unbehagen gegenüber den allgegenwärtigen Sperren und Blockaden auf Kettenreifen, den Drehtürmen und Raketenstellungen.
    Denn manchmal war ihm, als lebte er nicht in der Obhut der Stadt, sondern als wäre er ihr Gefangener, träge geworden von ihren Schutzeinrichtungen, gebunden von ihrem militärischen Zauber.
    Er schlief allein. Er lebte allein.
    Die Jahre kamen und gingen. Oiphan archivierte, aß Süßigkeiten, sah aus dem Fenster, träumte, nahm zu an Alter und Gewicht und - falls überhaupt möglich - an Bedeutungslosigkeit.
    Sein Arzt riet ihm, sein Körpergewicht zu kontrollieren. Acht zu haben auf gewisse Herzkranzgefäße. Auf den Blutzucker. Auf die Betriebsfähigkeit seiner Bauchspeicheldrüse. Ghon Oiphan hatte Acht, denn er fürchtete die Ärzte.
    Fast so, wie er den Büroleiter fürchtete.
    Er fürchtete alle.
    Jeden Morgen wog er sich, und die Waage gab ihm vor, welche Menge an Süßigkeit er an diesem Tag verzehren durfte, ohne den Zorn der Ärzte auf sich zu ziehen. Oder eine Verstimmung der Bauchspeicheldrüse.
    Aber die Macht war stark in den Naschereien, und manchmal zwang sie seine allgegenwärtige Furcht in die Knie. Und er aß.
    Es begann damit, dass er eines Morgens von der Waage eine Minderung seines Gewichtes ablas. Nichts Erhebliches, aber doch einen Betrag, der ihm gestatten würde, seine Ration an Genussmitteln um einige Bissen zu erhöhen, ohne aus der Balance zu fallen. Ohne fürchten zu müssen. Ein wunderbarer Tag.
    Zumal er am nächsten Morgen und trotz der kleinen Orgie des Vortags sein Gewicht nicht nur im Rahmen fand, sondern eine weitere Verringerung ablas.
    Wie wunderbar. Sollte sein Körper immun werden gegen Zucker und Stärke?
    Er aß an diesem Tag mehr als sonst. Er tafelte.
    Am nächsten Morgen hatte er deutlich an Gewicht verloren.
    Der Arzt lobte ihn. Er sehe gesünder aus, halte sich offenbar fit. Trabte er etwa auf leichten Sohlen am Nipus entlang? Brav! Weiter so!
    Ja, sagte Ghon Oiphan.
    Tatsächlich ging es weiter so. Und zwar ohne dass er zu einer einschränkenden Maßnahme hätte greifen oder bis zur Erschöpfung laufen müssen. Er aß, er trank, er nahm ab.
    Er wurde, wie man so sagt, weniger. Bald war er schlank. Der Arzt fand das ausgezeichnet. Er sehe immer gesünder aus, geradezu urgesund.
    Ghon Oiphan archivierte, aß Süßigkeiten, sah aus dem Fenster, träumte, nahm zu an Alter, aber ab an Gewicht.
    Irgendwann hörte sein Körper auf, schmächtiger zu werden, stabilisierte sich. Nicht aber sein Gewicht. Er wurde leichter, immer leichter; die Waage am Morgen zeigte nahezu lächerlich geringe Werte.
    Der Arzt,
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