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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland
Autoren: Tanja Weber
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die Kellertür erneut aufgegangen und der Greis hereingekommen war. Es hatte keine zwei Minuten gedauert, da hatte er kurzen Prozess gemacht. Trotz seines Alters musste er die Kraft eines Bären haben, denn er hatte der zähen Alten binnen kurzem mit dem Gürtel die Luft abgeschnürt. Er selbst hatte weggesehen. Er hatte nicht ertragen, den Todeskampf mit anzusehen. Wieder ein Todeskampf! Denn er hatte den anderen alten Mann noch nicht vergessen, wie dieser würgend und zitternd vor ihm gelegen hatte, den Körper in Krämpfen gewunden. Es war ihm unendlich vorgekommen, bis die Zuckungen schließlich aufgehört hatten und der Mann mit Schaum vor dem Mund und blau angelaufen vor ihm gelegen hatte. Ein schrecklicher Tod, ein langer Kampf. Nun hörte er das heisere Röcheln der Alten und den stoßweisen Atem der Tochter, die vor Angst an die Wand gerobbt war. Da war alle Kraft aus ihm gewichen, vergessen waren sein Stolz auf seine Kraft, sein Hochgefühl darüber, dass er bald frei sein würde. Er hatte das Geräusch gehört, mit dem der tote Körper der alten Frau zu Boden gefallen war, und er hatte sich so schwach wie nie zuvor in seinem Leben gefühlt. Er war völlig willenlos gewesen,als der alte Zyklop die Schlüssel aufgehoben und die Handschellen von der Heizung gelöst hatte. Wie ein Lamm zur Schlachtbank war er dem Alten gefolgt, nackt, aus dem Keller hinaus, mit zittrigen Knien. Keinen Blick mehr hatte er Annette gegönnt, er hätte ihren Anblick nicht ertragen. Dann waren sie zu dem alten Benz gegangen, der vor der Garage geparkt war, der Alte hatte ihn auf den Beifahrersitz geschoben, und nun lag er hier in der toten Fremde ohne jeden Schutz.

Zwei Wochen danach
    Zyankali, hatten die Beamten ihr gesagt. Das hätte die Obduktion ergeben. Er hatte die Kapsel im Mund zerbissen. Die Verpackung dazu hatte sich in seiner Hosentasche befunden. Angesichts des Zustands der Leiche – sie war weitgehend zersetzt, denn jemand hatte den im Auto befindlichen Leichnam ihres Mannes mit Kalk bestreut – ließ sich der genaue Todeszeitpunkt und -ort nicht mehr bestimmen.
    Beate Klinger ballte die Hände zu Fäusten. Sie saß allein am Tisch ihrer kleinen Küche, vor sich die Kaffeetassen und den Gebäckteller, den sie für die Beamten hingestellt hatte. Sie hatte sich beherrschen können, hatte sich ahnungslos gestellt und überrascht. Aber nun wurde sie übermannt von der Anspannung der vergangenen Wochen, der Einsamkeit und der Angst, was die Zukunft bringen würde. Dann kam das Bewusstsein hinzu, dass sie ihrem Mann Unrecht getan hatte. Sie hatte ihn aus ihrem Leben verbannt, weil sie ihn für einen kaltherzigen Menschen gehalten hatte, der aus materiellen Gründen einem anderen die Freiheit genommen hatte. Aber nun stellte sich heraus, dass er daran zerbrochen war. Sie schlug mit den Fäusten auf den Tisch. Kräftig, einmal, zweimal. Sie heulte laut auf, konnte sich nicht mehr kontrollieren. Immer wieder sausten ihre Fäuste auf den Tisch, und sie schrie und heulte, das Geschirr klirrte, und Klaus kam ausseinem Zimmer und war starr vor Schock, als er seine Mutter so sah.
    *
    Hans Günther Heims sprach nicht mehr, seit er in Ungarn von der Polizei aufgegriffen worden war. Es hatte einige Tage gedauert, bis man ihn identifizieren konnte und nach Deutschland überstellte. Dort war er in stationärer psychologischer Betreuung, aber er tat nichts weiter, als zu meditieren und Kraftübungen zu machen. Demnächst würde er auf eigenen Wunsch entlassen werden. Er gab keine Auskunft darüber, wo er sich in der Zwischenzeit befunden hatte und wie er nach Ungarn gekommen war, mit nichts als einer Unterhose bekleidet. Eine Verbindung zum Doppelmord von Lohdorf gab es ohne Zweifel, aber die Polizei arbeitete noch an dem schwierigen Fall, eine Aufklärung war nicht in Sicht. Es schien, als sei der Mann ebenso verschwunden, wie er aufgetaucht war – ohne dass es jemanden interessiert hätte.
    *
    Er zog die Handbremse des Mietwagens an. Endlich hatte er den Hof gefunden. Georg Thalmeier war seit einer Woche unterwegs, seit vier Tagen in dem Gebiet, das vor einem Jahr nach dem Dammbruch von Kolontár vom Rotschlamm überflutet worden war. Das war der einzige Hinweis auf Amor gewesen, den Edeltraud ihm hatte geben können. Sie kannte nicht seinen Namen, sie wusste nicht, wo in Ungarn er lebte, aber sie erinnerte sich daran, dass er davon erzählt hatte. Ihre Erinnerungen waren wirr, aber voller Sehnsucht und Liebe gewesen, und Thalmeier
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