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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland
Autoren: Tanja Weber
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dass er viele Jahre lang Mordkommissionen geleitet hatte.
    Georg Thalmeier warf einen Blick auf das flirrende Blaulicht, das die Nacht erhellte. Trotz der nächtlichen Stunde hatten sich schon einige Schaulustige auf der anderen Straßenseite eingefunden, mit hastig übergeworfenen Jacken, die neugierig versuchten, einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen. Er kehrte den Blick nach innen und rief ab, was sich ihm eingeprägt hatte. Der Keller, in welchem er die Tote gefunden hatte, war geöffnet gewesen, das Licht hatte gebrannt. Neben der Toten lag eine kleine Sichel auf dem Boden. Außerdem hatten sich ein umgestoßenes Glas, ein kaputter Porzellanteller mit einem Apfelbutzen und ein weißes Handtuch in der Nähe der Heizung befunden. Das Merkwürdigste aber war der Nachttopf. Er stand unter dem Heizkörper und war offensichtlich mit Urin gefüllt. Natürlich deutete auf den ersten Blick alles darauf hin, dass Annette von Rechlin ihre Mutter erwürgt und anschließend versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Für diese einfache Lösung aber war die Szenerie zu skurril. Alles, was sich in dem Kellerraum befand, zeigte an hin, dass sich dort noch jemand befunden hatte, jemand, der in dem Keller lebte. Vegetierte, korrigierte sich Thalmeier im Geiste und dachte an Amstetten. Der- oder diejenige konnte sich befreit haben, hatte seine Peinigerin erwürgt und war geflohen? Und im Anschluss hatte sich Annette aus Angst vor Entdeckung das Leben nehmen wollen? Möglich, aber Thalmeier war auch davon nicht ganz überzeugt. Er glaubte, dass dies nur ein Teil des Puzzles war. Denn es fehlten noch ein paar Figuren: der Alte mit dem krankenAuge, die Frau, die vor ein paar Tagen hier geklingelt und um Einlass gefleht hatte, und nicht zuletzt die angebliche Leiche in der Schubkarre, die die Jungs zu sehen geglaubt hatten. Thalmeier wurde in seinem Gedankengang abgelenkt, denn in der Gruppe der Schaulustigen erschien eine seltsame Gestalt, vor der die anderen etwas auf Abstand gingen. Es war eine alte Frau. Sie trug eine Kopfbedeckung, wie sie in den vierziger Jahren Mode gewesen war, eine Art Turban oder geknotetes Tuch, das an die Trümmerfrauen erinnerte. Außerdem einen weiten langen Pelzmantel und Springerstiefel. Das Eigentümlichste aber an ihrer Erscheinung war ihr Gesichtsausdruck. Sie sah zum Haus der Rechlins hinüber und lächelte versonnen. Thalmeier stellte seinen Kaffeebecher ab und wollte die Straße überqueren, um die Frau aus der Nähe zu betrachten, da lenkte ihn der Ruf eines der Beamten ab. Dieser hatte die Tür zur Garage geöffnet, war zurückgewichen und hielt sich nun die Hand vor den Mund. Er zeigte aufgeregt in die Garage hinein, bevor er sich ins Gebüsch erbrach.
    *
    Er musste die Augen schließen, damit er den Fahrstil des Alten ertrug. Der fuhr stockend, mal schlich er im Schritttempo dahin, dann wieder drückte er das Gas durch und jagte den Motor der Schrottkarre in den roten Drehzahlbereich hoch. In den Kurven schlingerte das Gefährt, und der Greis hatte offensichtlich große Mühe, in der Nacht überhaupt etwas zu erkennen. Mit beiden Händen hatte er das Lenkrad umklammert und starrte angestrengt durch die Windschutzscheibe.
    Er wusste nicht, wo die Fahrt hingehen sollte. Er verstand auch nicht, warum der Alte ihn mit sich gezerrt und mit denHandschellen an den Türgriff gesperrt hatte. Wenigstens hatte er ihm eine Unterhose hingeworfen, die er anziehen sollte. Ein altmodisches Feinrippding, das ihm um die Beine schlackerte. Aber er war zu erschöpft, um sich zu wehren. Es war alles zu schnell gegangen, und er hatte es nicht geschafft, die Situation für sich zu nutzen, weil er völlig überfordert war von den Geschehnissen.
    Anfangs hatte er Angst gehabt, als der Greis mit ihm sprach. Er hatte aus dem Fenster gesehen, und ihm waren die Augen zugefallen. Immer wieder. Weil er fertig gewesen war. Total im Arsch. Er hatte entsetzlich gefroren, bekleidet nur mit der Unterhose. Allerdings war die Heizung im Mercedes auf die höchste Stufe geschaltet, so dass es bald warm und stickig war. Und stank. Nach altem Menschan. Der Mann roch wie sein Großvater. Nach einer Mischung aus Pisse, Tabak und Wolle.
    Ein blaues Autobahnschild huschte vorbei. Sie fuhren nach Österreich. Warum? Er begriff es nicht. Er begriff nicht, was diese alten Menschen von ihm wollten.

22.
    Er wurde wach, als die Sonne am höchsten Punkt stand und ihm durch sein Fenster genau ins Gesicht schien. Stifter warf einen Blick auf
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