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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland
Autoren: Tanja Weber
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in früheren Jahren eine überaus attraktive Frau gewesen. Sie hatte tiefdunkle Augen, eine lange schmale Nase mit einem leichten Buckel und hohe Wangenknochen. Obwohl ihr Gesicht von einer Unzahl feinster Falten durchzogen war, erkannte er, dass ihr Mund einst voll und geschwungen gewesen sein musste, wie von Modigliani gemalt. Sie wirkte wie eine Tänzerin, trotz ihrer Verwahrlosung bewahrte sie Haltung und Grazie. Thalmeier stellte sich vor, was die Frau mit der Andeutung eines Nickens aufnahm.
    »Sie wissen, dass Gudrun von Rechlin gestern tot aufgefunden wurde«, begann er das Gespräch und beobachtete sie genau. Wieder zeigte sich in ihren Mundwinkeln ein feines Lächeln, so, wie er es bereits gestern Nacht am Tatort bemerkt hatte.
    »Sie kannten sie?«
    Edeltraud nickte erneut. Offenbar wollte sie sich nicht weiter einlassen.
    »Ich suche jemanden, der in letzter Zeit bei ihr gewohnt hat«, fuhr Georg Thalmeier fort.
    Und zum ersten Mal kam Bewegung in die Frau vor ihm. Ihr bislang so verschlossenes Gesicht öffnete sich mit einem breiten Lächeln, und ihre Augen strahlten.
    »Amor«, gab sie zurück und nickte.
    Thalmeier war perplex. Wie ein Amor hatte der steinalte Mann mit dem blinden Auge nicht auf ihn gewirkt, aber offenbar gab es hier eine Geschichte zu ihm.
    »Können wir reingehen?«, fragte er, und tatsächlich öffnete sie ihm die Tür.
    Thalmeier zögerte kurz, doch dann trat er über die hölzerne Schwelle von Edeltrauds Reich.
    *
    »Schau dir das an!« Der Alte zerrte ihn aus dem Auto. Sie waren im Nirgendwo. Zwar hatte er registriert, dass sie über die ungarische Grenze gefahren waren, ab da lauter Schilder mit ööö, obwohl das hier nirgendwo war, eine Mondlandschaft. Der Greis hatte ihn aus dem Auto gezogen und ihn wie Dreck am Straßenrand abgelegt. Er war zu k. o., um sich zu wehren. Er hätte den Alten treten können, zu Fall bringen, fertig machen, aber er war am Ende. Er wollte nur noch, dass das alles vorbei war. Er wollte schlafen, in Ruhe gelassen werden.
    »Schau dich um! Schau hin, schau!« Der alte Mann war ganz seltsam außer sich, als er mit seinen irre langen Armen schlenkerte. Offenbar wollte er ihm etwas zeigen, aber da gabes nichts zu sehen. Eine tote und kaputte Landschaft. Abgestorbene Bäume, verkarstete Wiesen, einen eigenartig schlammigen Fluss, ganz rot. Kein Vogel war zu sehen, nichts regte sich in dieser toten Landschaft. Es erinnerte ihn an die Bilder von Tschernobyl. Er erkannte in einiger Entfernung einen Bauernhof, aber auch der schien verlassen und nicht bewirtschaftet zu sein. Selbst der Himmel war seltsam bleiern und verschleierte die Sonne, die ihr diffuses Licht auf die rötlich verbrannte Erde schickte.
    Er streckte sich aus, das trockene Gras mit der eigenartigen Kupferfarbe stach in seinen Rücken, aber er war zu Tode erschöpft.
    Nun beugte sich der Greis zu ihm herab und öffnete ihm die Handschellen. »Denk darüber nach«, sagte er zu ihm und schob dabei sein Gesicht ganz nah über seines.
    Er starrte in das hellblau verschleierte starre Auge. Der Mann roch säuerlich aus dem Mund. Er hätte die weißen Bartstoppeln zählen können, so nah war der Zyklop vor ihm.
    »Ich lasse dich am Leben.« Der Alte machte eine Pause und musterte ihn intensiv.
    Er empfand keine Angst mehr. Er lag am Boden und empfand gar nichts mehr.
    »Übe Demut.« Sprach das Gesicht zu ihm. Dann erhob sich der Alte wieder, ging zur Fahrerseite, stieg ein, startete und fuhr davon.
    Er lag am Straßenrand und ließ sich in die Böschung rollen. Dort lag er, nackt, nur mit der Unterhose des alten Mannes bekleidet, und zog die Knie an den Körper. Er schloss die Augen und wollte schlafen. Aber die Bilder kehrten zurück, die Bilder aus dem Keller. Die Alte, die in der Tür gestanden hatte. Annette, wie erstarrt. Er, der unfähig war zu reagieren.Es hatte vielleicht eine oder zwei Sekunden gedauert, dann waren die Frauen aufeinander losgegangen, es war widerlich gewesen. Er hatte sich daraufhin gezwungen, den Schlüssel für die Handschellen zu suchen, auch, damit er von dem unwürdigen Kampf nichts mitbekam. Sie waren mit einer Wucht und einem Hass übereinander hergefallen, der darauf schließen ließ, dass sie nur darauf gewartet hatten, sich zu vernichten. Panisch hatte er alles abgesucht, aber dann bemerkt, dass die Schlüssel außerhalb seiner Reichweite an eine Wand gerutscht waren. Die Alte hatte gellend aufgeschrien und versucht, ihre Tochter mit der Sichel zu treffen, als
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