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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland
Autoren: Tanja Weber
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geschlossenen Lidern einen satanischen Tanz auf, passend zu den düsteren Gedanken, die er nicht abschütteln konnte.
    *
    Um die Wettersteinstraße machte er einen Bogen. Obwohl er nur allzu gerne einen Blick auf die Villa geworfen und mit den Kollegen gesprochen hätte. Mit Sicherheit war der KDD vor Ort. Oder schon die Kripo. Zwei Leichen und eine Schwerverletzte, eventuell eine suizidale Täterin – da war die Mordkommission vermutlich schon da. Vielleicht hätte er Glück gehabt und wäre auf einen früheren Kollegen gestoßen. An diesem Punkt musste sich Thalmeier allerdings eingestehen, dass nicht jeder frühere Kollege über ein Zusammentreffen mit ihm erfreut gewesen wäre. Er hatte viele vor den Kopf gestoßen. Damals, in seiner schlimmen Zeit, bevor er in den Osten gegangen war. Das war schließlich auch ein Grund gewesen, die Ettstraße zu verlassen. Nein, sagte sich Thalmeier, es war schon besser, sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht blicken zu lassen. Es wäre ihm als Schnüffelei ausgelegt worden, und wenn er ehrlich war, musste er sich eingestehen, dass genau das auch zutraf. Er kam sich vor wie ein Schnüffler. Ein alter Privatschnüffler.
    Er stand nun vor dem Gelände an der Pestalozzistraße, wo die seltsame Frau mit dem Turban wohnen sollte, laut Kyra. Edeltraud. Ihren Nachnamen kannte keiner, und der stand auch nicht auf dem verwitterten Klingelschild.
    Kurzerhand öffnete Thalmeier die Gartentür und nahm Kurs auf die Fachwerkvilla. Sie sah nicht sehr wohnlich aus, einige Fensterscheiben waren zerbrochen und mit Pappe notdürftig abgedeckt. Der Putz bröckelte von der Hausmauer, und die Balken des Fachwerks hätten einer dringenden Behandlung bedurft, sie sahen morsch und splittrig aus. Thalmeier setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen und registrierte dabei genauestens seine Umgebung. Kyra hatte ihm erzählt, dass Edeltraud eine Art Unikum war. Jeder in Lohdorfkannte sie, aber kaum einer wusste wirklich etwas über sie. Die Gemeinde hatte mehrere Anläufe genommen, sie zu einem Aufenthalt im Heim zu bewegen oder ihr wenigstens eine Pflegerin an die Seite zu stellen, aber sie hatte jede Veränderung und Hilfe abgelehnt. Es wurde erzählt, dass sie Verwandte in den USA habe, die über einen Treuhandfonds für die anfallenden Kosten wie Grundsteuer aufkamen, ansonsten sich aber nicht um die Greisin kümmerten. Die Haustür öffnete sich, und Thalmeier blieb sofort stehen. Er hatte gerade mal die Hälfte des Weges vom Zaun bis zum Haus zurückgelegt, und ihm war völlig klar, dass er unerlaubt eingedrungen war. Deshalb hob er nun auch beschwichtigend beide Hände, als die »Edeltraud« genannte Frau auf ihre Schwelle trat. Sie machte abwehrende Handbewegungen, als sei Thalmeier ein lästiges Ungeziefer, das sie verscheuchen wollte. Sie trug weder den Nerzmantel noch den Turban, aber die Stiefel, die ihm schon gestern Nacht aufgefallen waren, trug sie an den Füßen. Es waren keine Springerstiefel, das sah er jetzt. Es waren uralte Soldatenstiefel.
    »Ich will nur etwas fragen«, rief er, nun beide Hände erhoben.
    »Ich verkaufe nicht!«, rief die Frau zurück.
    Thalmeier ließ die Hände sinken und tat einen Schritt vorwärts. Dabei schüttelte er den Kopf.
    »Ich will nichts kaufen«, beeilte er sich zu sagen. »Ich will Sie etwas fragen. Über Gudrun von Rechlin.«
    Die Frau verschränkte nun die Arme vor der Brust, aber Thalmeier konnte an ihrer Körperhaltung ablesen, dass sie überrascht war. Er traute sich noch ein paar Schritte weiter.
    »Darf ich?«, fragte er und zeigte auf den Weg vor sich. Da die Frau auf sein Ansinnen nicht reagierte, machte er weiterevorsichtige Schritte. Die Frau wich leicht zurück, Thalmeier blieb stehen.
    »Bitte. Ich möchte nur etwas über sie wissen. Dann bin ich wieder weg.«
    Die Frau griff nach der Klinke, zögerte aber.
    Thalmeier machte einen weiteren Vorstoß. »Sie kennen sie doch, Frau von Rechlin?«
    Edeltraud nickte zag. Sie fixierte Thalmeier, und allmählich war er so nah, dass er den Ausdruck in ihren Augen lesen konnte. Es lagen nicht nur Furcht und Ablehnung darin, sondern auch Neugier. Das motivierte ihn schließlich, auch die restlichen fünf Meter zurückzulegen.
    »Entschuldigen Sie bitte mein Eindringen«, beeilte er sich zu sagen, »aber ich habe Sie gestern Nacht gesehen.«
    Die Frau vor ihm nickte. Thalmeier war überrascht, als er ihr Gesicht von nahem sah. Sie war eine Schönheit. Verwittert wie ihre Villa, aber unzweifelhaft war sie
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