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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland
Autoren: Tanja Weber
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drehte sich eine Zigarette mitfrischem »Schwarzer Krauser«-Tabak. Er warf einen Blick auf das Rasenstück vor dem Grill, dessen Glut noch immer glomm und auf dessen Rost vergessene Fleischstücke lagen, die sich später die Hunde holen würden.
    Vroni saß neben ihrem Sohn auf einer Bierbank, und die beiden unterhielten sich mit Georg Thalmeier. Der pubertierende Sohn schien gar nicht zu bemerken, dass er sich an die Schulter seiner Mutter gekuschelt hatte, während er den Erzählungen des alten Bullen folgte. Er sah aus wie ein kleines Kind, stellte Stifter gerührt fest. In ungefähr dem Alter hatte er selbst seinen Vater verloren, und er erinnerte sich, dass er, obwohl er glaubte, schon »groß« zu sein, danach wieder verstärkt die körperliche Nähe seiner Mutter gesucht hatte. Abends hatten sie vor dem Fernseher gesessen, und sie hatte mit ihren Fingernägeln sanft seinen Unterarm gestreichelt. Er hatte davon nie genug bekommen, und er wünschte sich noch heute, dass jemand käme, der ihn auf diese Weise in den Schlaf begleiten würde. Gegenüber von Lukas und Vroni, neben Georg Thalmeier, saß Noah, der sich bemühte, möglichst erwachsen zu wirken. Er hielt sich am Bier fest und rauchte ganz lässig. Zwar war Andreas vorhin vorbeigekommen und hatte seinen Buben ermahnt, nicht über die Stränge zu schlagen, aber er schien auch auf die Gegenwart des Expolizisten zu vertrauen, dass sein Sohn sich nicht hemmungslos dem Alkohol hingab. Die vier an der Bierbank wie auch die anderen im Garten verteilten Grüppchen boten ein friedliches Bild. Der Lärmpegel war deutlich gedämpft, die Hunde tobten nicht mehr, die kleinen Kinder waren nach Hause gebracht worden oder schliefen in den Armen ihrer Eltern, und die Erwachsenen saßen in Gruppen zusammen und unterhielten sich ruhig. Ab und an perlte ein Lachen in die kühle Nachtluft.
    Stifter dachte an die Einsamen. Er dachte an Annika. An ihre Kinder, die jetzt vielleicht im Heim waren. An seine Mutter in Hamm, die um diese Uhrzeit bestimmt fest schlief und deren Schnarchen mit dem des Schäferhundes Tilla, der immer neben ihrem Bett schlief, wetteiferte. Und er dachte an Annette von Rechlin. An ihren gequälten Blick und ihre Bitte an ihn: »Helfen Sie mir.«
    Stifter überlegte nicht. Er wusste, was er tun musste. Er ging ins Haus der Familie Lanz, nahm den Schlüssel für den Volvo vom Haken und ging zur Einfahrt. Kaum hatte er den Motor angelassen, wurde die Beifahrertür aufgerissen.
    »Du hast zu viel getrunken, mach den Motor aus!«
    Stifter nahm Thalmeiers Stimme wohl wahr, aber er dachte nicht daran, auf den Alten zu hören. Stattdessen legte er krachend den Rückwärtsgang ein und trat aufs Gas.
    »Spinnst du?!«, hörte er den Bayern noch rufen, bevor sich dieser auf den Beifahrersitz schwang und, während Stifter schon durch die Einfahrt rauschte, die Autotür zuzog.
    »Himmelherrgottsakrament«, schimpfte er, »wohin willst du denn jetzt? Mitten in der Nacht und besoffen?« Strafend sah sein neuer Freund zu ihm herüber.
    Stifter starrte nach vorn durch die Windschutzscheibe und fuhr hochtourig im zweiten Gang.
    »Ich hab ein Scheißgefühl«, murmelte er, und Thalmeier nickte nur, als schien er das zu verstehen.

21.
    Sie konnten den Lichtschein, der aus der offen stehenden Eingangstür fiel, bereits sehen, noch bevor Stifter den Volvo vor der Garage der Rechlins geparkt und die Handbremse angezogen hatte. Den ganzen Weg über waren sie stumm geblieben. Stifter hatte trotz seines Alkoholpegels den Wagen unfallfrei durch das menschenleere Lohdorf kutschiert, dankbar, dass Thalmeier mit seiner Standpredigt hinterm Berg hielt.
    Johannes Stifter drehte den Zündschlüssel im Schloss, und der Motor erstarb. Er machte die Scheinwerfer aus, und die beiden Männer blickten stumm auf die geöffnete Tür der Rechlins.
    »Nichts anfassen«, beschied ihm Georg Thalmeier knapp mit rauer Stimme, bevor er die Beifahrertür energisch öffnete. Stifter spürte die Anspannung in seinem Körper, es kribbelte bis in die Zehen, und in dem Moment war er äußerst dankbar, dass er sich in der Begleitung eines erfahrenen Ermittlers befand. Er stieg ebenfalls aus dem Auto und folgte Thalmeier, der das Gartentor mit einem Stofftaschentuch über der Hand öffnete. Sie gingen hintereinander zu der Eingangstür, wobei Thalmeier darauf achtete, dass er sich in deren Schutz befand und der Briefträger tunlichst hinter ihm blieb. Bei der schweren Holztür angekommen, rief Georg
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