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Post Mortem

Post Mortem

Titel: Post Mortem
Autoren: Jonathan Kellerman
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unruhigen Schlaf.
    »Er setzt sich aufrecht hin, schläft dabei weiter, sieht aber zu Tode erschrocken aus. Ich nehme ihn in den Arm und sage ihm, es sei alles in Ordnung, und am nächsten Morgen kann er sich an nichts erinnern. Was ist das, Nachtangst im Tiefenstadium?«
    »Könnte sein«, sagte ich.
    »Falls sich das nicht wieder legt, kann er vielleicht zu Ihnen kommen.«
    »Wie schlafen Sie denn, Tanya?«
    »Ich? Großartig.«
    Nach weiteren Fragen ergab sich, dass sie ein zwanghaftes Ritual von mindestens einer Stunde vor dem Schlafengehen vollzog. Manchmal dehnte es sich bis zu neunzig Minuten aus.
    »Aber das war eine Ausnahme, Dr. Delaware. Meistens brauche ich sechzig oder knapp darunter.«
    »Sie nehmen selber die Zeit.«
    »Damit es nicht aus dem Ruder läuft«, erklärte sie. »Natürlich ist es möglich, dass das Zeitnehmen an sich Teil des Rituals geworden ist. Aber damit kann ich leben - ach, hab ich Ihnen übrigens erzählt, dass ich meine Meinung geändert habe, was Psychiatrie betrifft? Die ist mir zu ambivalent, ich denke derzeit über Unfallmedizin nach.«
    Im Lauf des nächsten Monats verstärkten sich ihre zwanghaften Angewohnheiten. Ich konzentrierte mich auf die großen Themen, bis sie drei Wochen später bereit war, an den Symptomen zu arbeiten. Hypnose und kognitive Verhaltenstherapie erwiesen sich als nützlich, aber nicht vollständig. Ich dachte daran, ihr die Einnahme von Medikamenten zu empfehlen. Vielleicht spürte sie das, weil sie die Hälfte einer Sitzung auf ein Referat verwandte, das sie über die Nebenwirkungen von Tabletten geschrieben hatte, die den Serotonin-Abbau im Gehirn verlangsamen. Und die Meinung äußerte, dass sie nie mit ihrem Gehirn »Schindluder treiben würde, es sei denn, ich wäre echt psychotisch«.
    »Das ist am Ende Ihre Entscheidung«, sagte ich.
    »Weil ich erwachsen bin?«
    Ich lächelte.
    »Erwachsensein ist irgendwie ein blödes Konzept, nicht wahr?«, sagte sie. »Menschen wachsen auf alle möglichen Arten heran.«

45
    Genau zur gleichen Zeit, als Milos Arm wieder funktionsfähig wurde, rief eine Frau namens Barb Smith meinen Telefondienst an und bat um einen Termin für ihr Kind. Ich nehme sehr wenige Therapiefälle an, und wegen Tanya, einem halben Dutzend Gerichtsgutachten und meinem Wunsch, mehr Zeit mit Robin zu verbringen, hatte ich den Telefondienst angewiesen, diese Nachricht routinemäßig durchzugeben.
    Lorraine, die Frau vom Telefondienst, sagte: »Ich hab's versucht, Doktor. Sie wollte sich nicht mit einem Nein abspeisen lassen - hat noch dreimal angerufen.«
    »Penetrant?«
    »Nein, eigentlich war sie sogar nett.«
    »Das heißt, ich soll aufhören, so widerspenstig zu sein, und sie zurückrufen.«
    »Sie sind der Doktor, Doktor.«
    »Geben Sie mir die Nummer.«
    »Ich bin stolz auf Sie«, sagte Lorraine.
    Eine dieser nichtssagenden Handy-Vorwahlnummern. Barb Smith meldete sich nach dem ersten Klingeln. Junge Stimme, durchaus radiotauglich. »Vielen Dank, dass Sie mich anrufen, Dr. Delaware.«
    Ich hielt meine kleine Ansprache.
    »Ich weiß das alles zu würdigen«, erwiderte sie, »aber vielleicht ändern Sie Ihre Meinung, wenn ich Ihnen sage, wie ich vor meiner Scheidung hieß.«
    »Wie denn?«
    »Fortuno.«
    »Oh«, sagte ich. »Philip.«
    »Felipe«, sagte sie. »Das ist der Name auf seiner Geburts-Urkunde, aber Mario will ihn nicht verwenden, nur um mich zu ärgern. Sie haben Mario kennen gelernt.«
    »Er ist dominant.«
    »Er versucht es zu sein«, sagte sie sanft. »Er hat mir vor ein paar Monaten befohlen, bei Ihnen anzurufen. Ich halte Felipe für einen wundervollen Jungen, das Problem besteht allein in Mario - wir sollten persönlich darüber reden. Ich weiß, dass Sie für Ihre Zeit bezahlt werden, und ich möchte Sie nicht um Ihr Honorar bringen. Wäre es okay, wenn ich allein käme, ohne Felipe? Falls Sie dann glauben, es gäbe ein Problem, kann Felipe ja zu Ihnen kommen.«
    »Klar. Sie wohnen in Santa Barbara.«
    Zögern. »Früher mal.«
    »Sie bleiben in Bewegung«, sagte ich.
    Noch eine Pause. »Dieser Anruf - Sie zeichnen nichts auf, oder?«
    »Meines Wissens nicht.«
    »Nun ja«, sagte sie, »das ist nicht immer relevant - was Leute zu wissen glauben. Wie wär's, wenn wir uns auf halbem Weg treffen? Zwischen L. A. und Santa Barbara.«
    »Klar. Wo?«
    »In Oxnard«, sagte sie. »Da gibt es eine Weinkellerei, ein Stück vom Strand entfernt in einem Industriegelände neben der Rice Avenue. Ein nettes kleines Restaurant, und
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