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Poseidons Gold

Titel: Poseidons Gold
Autoren: Lindsey Davis
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erkennen.
    »Apollonius! Helfen Sie hier aus, bis Pädagogik und Wissenschaft wieder nach Ihnen rufen?«
    »Geht aufs Haus!« sagte er stolz und stellte erst einen Becher neben meinen Ellbogen und dann ein sauberes Schälchen mit genau zwanzig Nüssen drin.
    In einer so makellosen Umgebung konnte ich mich unmöglich betrinken. Der gute Ton verbot es, dieser verzückten Seele mein Elend vorzujammern, und ihn hinter mir aufwischen zu lassen war ebenso unmöglich. Ich zwang mich zu einer kurzen Plauderei, dann trank ich meinen Becher auf einen Zug leer. Ich wollte gerade gehen, als eine Frau mit hochgekrempelten Ärmeln aus der Küche kam und sich die Hände an einem Geschirrtuch abtrocknete.
    Im ersten Moment dachte ich, es wäre Mutter. Sie war klein, adrett und hatte überraschenderweise graues Haar. Ihr Gesicht war scharf geschnitten, die müden Augen mißtrauten den Männern.
    Obwohl sie mich gesehen hatte, hätte ich immer noch gehen können. Statt dessen holte ich tief Luft und sagte: »Sie sind gewiß Flora.« Keine Antwort. »Ich bin Falco.«
    »Favonius’ Jüngster.« Die Ironie brachte mich zum Lachen. Da war mein verdrehter Vater von zu Hause abgehauen, weil er unbedingt ein »neues Leben« anfangen wollte, und nun nannte selbst die Frau, die er mitgenommen hatte, ihn hartnäckig bei seinem alten Namen.
    Sie fragte sich wohl, ob ich irgendeine Bedrohung darstellte. Vielleicht hatte Festus ihr viel Ärger gemacht, als er damals hier rumhing. Ob sie spürte, daß ich anders war?
    »Darf ich Sie bitten, meinem Vater etwas auszurichten? Leider ist es eine schlechte Nachricht. Sagen Sie ihm, ich war im Palast, aber man hat mich abgewiesen. Ich lasse ihm danken, doch sein Darlehen wird nun nicht mehr benötigt.«
    »Da wird er sehr enttäuscht sein«, versetzte der Rotschopf, der kein Rotschopf mehr war. Ich bekämpfte den Zorn, den die Vorstellung, wie die beiden sich über mich unterhielten, geweckt hatte.
    »Wir werden’s überleben«, sagte ich in einem Ton, als wären wir alle eine große, glückliche Familie.
    »Vielleicht bietet sich Ihnen ja noch mal eine Gelegenheit«, sagte Flora ruhig, wie eine entfernte Verwandte einen jungen Mann tröstet, der den schwärzesten Tag seines Lebens meldet.
    Ich bedankte mich bei Apollonius für den Wein und ging heim zu meiner Mutter.
     
    Zu viele Stimmen schlugen mir entgegen. Ich konnte nicht reingehen.
    Helena hatte offenbar schon auf mich gewartet. Als ich die Treppe wieder runtergestiegen war, rief ihre Stimme hinter mir her: »Marcus, ich komme – warte auf mich!«
    Ich wartete, während sie sich ihren Mantel schnappte, und dann kam sie runtergerannt: ein hochgewachsenes, eigensinniges Mädchen im blauen Kleid mit einer Bernsteinkette um den Hals; ein Mädchen, das wußte, was ich ihr zu sagen hatte, noch bevor ich den Mund aufmachte. Ich erzählte es ihr trotzdem, während wir durch Rom wanderten. Und dann sprach ich auch gleich noch die zweite traurige Nachricht aus: daß ich nicht gesonnen sei (egal, was ich zu Anacrites gesagt hatte), in einer Stadt zu bleiben, die ihr Wort nicht gehalten hatte.
    »Wo du auch hingehst, ich komme mit!« Sie war einfach wunderbar.
    Wir stiegen auf die Wehrmauer – den trutzigen alten Wall, den die Republikaner einst um die Stadt gebaut hatten. Inzwischen war Rom längst über diese Einfriedung hinausgewachsen, die jetzt als Denkmal unserer Vorväter und als Aussichtspunkt diente, von dem man die moderne Stadt überblicken konnte. Helena und ich kamen hierher, wenn wir Sorgen hatten, ließen uns die kühle Nachtluft übers Gesicht streichen und wanderten über der Alltagswelt dahin.
    Aus den Maecenatischen Gärten an den Hängen des Esquilin drang der zarte Frühlingsduft feuchter Erde, in der sich Leben regt. Riesige dunkle Wolken türmten sich am Himmel. In einer Richtung sahen wir den nackten Felsen des Capitols, dem immer noch der durch die Brände des Bürgerkriegs zerstörte Jupitertempel fehlte. Um ihn herum schlängelte sich, erkennbar an den Lichtpünktchen auf den Kais, der mäandernde Fluß. Hinter uns hörten wir eine Trompete aus der Praetorianerkaserne, der ein heiseres, vielstimmig trunkenes Echo aus einer Kneipe unweit der Porta Tiburtina folgte. Unter uns schnatterten Äffchen zwischen den verrufenen Ständen, wo Wahrsager und Puppenspieler das gemeine Volk unterhielten, das sein Vergnügen selbst im Winter im Freien fand. Auf den Straßen drängten sich Wagen und Esel, die Luft hallte wider von Kommandorufen
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