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Poseidons Gold

Titel: Poseidons Gold
Autoren: Lindsey Davis
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erscheinen zu lassen. Unter den Stuckdecken mit ihren herrlichen Gemälden und frivolen Arabesken und inmitten ausgefallener Elfenbeinschnitzereien und der Fülle gehämmerten Goldzierats mühten sich jetzt solide Bürokraten, das Imperium vor dem Bankrott zu bewahren und uns alle zu stolzen Römern zu machen. Rom selbst sollte neu gestaltet werden. Die berühmten Baudenkmäler wollte man restaurieren; außerdem waren an geeigneter Stelle sorgsam ausgewählte Ergänzungen zu unserem nationalen Erbe geplant: ein Friedenstempel als Gegengewicht zum Tempel des Mars; das schon mehrfach erwähnte Amphitheater der Flavier; ein Triumphbogen hier, ein Forum da; dazu eine stattliche Anzahl geschmackvoller Brunnen, Statuen, öffentlicher Bibliotheken und Bäder.
    Das Leben im Palast hat ruhige Phasen, und so eine hatte ich erwischt. Aber der Kaiser veranstaltete auch Bankette, schon weil ein fröhliches, gutorganisiertes Bankett die beliebteste Form der Diplomatie ist. Die Flavier regierten weder knauserig noch unterkühlt. Sie schätzten Gelehrte und Juristen. Sie belohnten Unterhaltungskünstler. Mit etwas Glück würden sie sogar mich belohnen.
    Normalerweise wurden persönliche Gesuche um sozialen Aufstieg beim Kammerherrn abgegeben, und der Bescheid ließ dann Monate auf sich warten, auch wenn die Überprüfung der Equites- und Senatslisten bei den Flaviern höchste Priorität genoß. Einer von Vespasians ersten Staatsakten war es, sich selbst zum Censor zu ernennen. Er wollte eine Volkszählung zur Steuerfestsetzung durchführen und frisches Blut in die beiden Klassen bringen, aus denen sich die öffentlichen Ämter rekrutierten. Er hatte seine eigene Vorstellung von Qualifikation, verachtete jedoch nie die edle römische Kunst des Selbstlobes. Wie hätte er das auch tun können; schließlich hatte er sich vom eher geringgeachteten Senatsmitglied bis zum Kaiser hochgedient.
    Meine Schriftrolle dem Berg von Gesuchen im Büro eines Kammerherrn hinzuzufügen entsprach nicht Falcos Temperament. Da ich als kaiserlicher Agent bekannt war, marschierte ich einfach hinein, so, als hätte ich eine finstere Staatsaffäre zu melden, und drängelte mich an der Warteschlange vorbei.
    Ich hoffte, den alten Kaiser nach dem Abendessen in leutseliger Stimmung anzutreffen. Er arbeitete von früh bis spät; die beste seiner bäuerlichen Eigenschaften war, daß er jede Arbeit beherzt und ohne Scheu anpackte. Erst spätabends war er guter Dinge und in der Stimmung, daß man es wagen konnte, ihn um einen Gefallen zu bitten. Darum hatte ich mir den Abend ausgesucht, um in Toga und besten Stiefeln, adrett, aber nicht aufgeputzt, vor ihn zu treten und ihn an meine erfolgreich ausgeführten Aufträge und sein altes Versprechen zu erinnern.
    Wie gewöhnlich verließ mich das Glück bereits beim Türsteher. Vespasian war gar nicht in Rom.
    Die Flavier waren berühmt für ihren Familiensinn. Daß er zwei erwachsene Söhne hatte, die Kontinuität garantierten, war Vespasians größtes Plus gewesen. Heute waren er und sein Ältester, Titus, praktisch Partner, und auch Domitian, der jüngere Sohn, stand schon voll im Staatsdienst. An dem Abend, als ich um die Bewilligung des Bürgerrechts bitten wollte, arbeiteten beide Kaisersöhne. Der Kammerherr kannte mich und ließ mir die Wahl, welchen Caesar ich sprechen wollte. Noch bevor ich mich entschieden hatte, war mir klar, daß ich am besten wieder gehen sollte. Aber nun hatte ich mich einmal auf den großen Moment eingestellt, da durfte ich jetzt nicht kneifen.
    Nicht einmal ich konnte Titus, der selbst ein Auge auf Helena geworfen hatte, um ein höheres Sozialprestige bitten, damit ich das Mädchen heiraten könnte. Zwischen den beiden war nichts gewesen (soweit ich feststellen konnte), aber ohne meine Anwesenheit wäre das vielleicht anders gelaufen. Titus war ein angenehmer Zeitgenosse, aber ich hasse es, einen Menschen über Gebühr zu bedrängen. Das verbietet schon der Takt.
    »Ich nehme Domitian.«
    »Gratuliere! Er vergibt ja heutzutage die öffentlichen Ämter.« Die Domestiken lachten. Der Eifer, mit dem Domitian an Krethi und Plethi Stellen verteilte, hatte selbst seinem gütigen Vater Anlaß zu Tadel gegeben.
    Obwohl ich mich an der Schlange vorbeigemogelt hatte, mußte ich noch so lange warten, daß ich zum Schluß wünschte, ich hätte eine von den Enzyklopädien des Richters zum Lesen mitgebracht oder Schreibzeug, um mein Testament aufzusetzen. Aber endlich war ich doch an der Reihe und
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