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Poseidons Gold

Titel: Poseidons Gold
Autoren: Lindsey Davis
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alle anderen sich taktvoll gedrückt hatten: »Wenn Papa das Messer mitgehen ließ, als er von zu Hause wegging, wie ist es dann in der Caupona gelandet?«
    Meine Mutter schien gekränkt, daß sie einen solchen Esel großgezogen hatte. »Na, das liegt doch auf der Hand! Es war ein gutes Messer; so eins wirft man nicht weg. Aber seine Thusnelda wollte wohl kein Besteck von einer anderen in ihrer Küchenschublade. Und da hat sie ihm bei erstbester Gelegenheit anderswo ein anständiges Zuhause gegeben. Ich hätt’s genauso gemacht«, sagte Mama und klang alles andere als nachtragend.
    Helena Justina sah aus, als müsse sie sich das Lachen verbeißen.
    Nach kurzem Schweigen war sie es, die eine noch riskantere Frage wagte. »Junilla Tacita, was ist damals schiefgelaufen zwischen dir und Geminus?«
    »Favonius!« erwiderte meine Mutter ziemlich sauer. »Er heißt Favonius!« Sie hatte immer behauptet, es sei albern, seinen Namen zu ändern und so zu tun, als ob man dadurch ein anderer würde. Mein Vater (sagte meine Mutter) würde sich niemals ändern.
    »Warum ist er weg?«
    Helena hatte recht. Meine Mutter konnte was vertragen, und es war im Grunde unnötig, so um dieses heikle Thema herumzuschleichen, dem sich Mama seinerzeit schließlich auch hatte stellen müssen. Jedenfalls antwortete sie Helena ganz offen: »Es gab keinen besonderen Grund. Zu viele Leute auf zu engem Raum. Zuviel Streit und zu viele Mäuler zu stopfen. In so einer Situation verzweifeln Menschen schon mal aneinander.«
    »Ich hab noch nie gehört, daß du das jemandem erzählt hast«, sagte ich.
    »Du hast nie danach gefragt.« Weil ich mich nie getraut hatte.
    Ich aß meine Schüssel leer und hielt mich raus. Ein Mann muß bei Kräften bleiben, wenn er mit seiner Familie fertig werden will.
    Helena nutzte ihre Chance und forschte weiter. Sie hätte Detektiv werden sollen, denn sie kannte keine Scheu vor taktlosen Fragen. »Warum haben Sie ihn geheiratet? Ich stelle mir vor, daß er in jungen Jahren sehr gut ausgesehen hat.«
    »Jedenfalls hat er sich das eingebildet.« Mama lachte sich eins, wie um anzudeuten, daß Papa damit gründlich im Irrtum war. »Aber wenn du’s wissen willst: Er schien eine gute Partie zu sein, hatte sein eigenes Geschäft und keinen Anhang. War auch ein guter Esser – mir gefiel die Art, wie er eine Schüssel bis auf den letzten Krümel leerputzte.« Und in einer bei ihr seltenen Anwandlung von Rührseligkeit setzte sie hinzu: »Ach, und ein Lächeln hatte er, das konnte Nüsse knacken.«
    »Was soll das denn heißen?« brummte ich.
    »Ich weiß es!« Helena Justina lachte, vermutlich über mich.
    »Ach was, er muß mich in einem schwachen Moment erwischt haben!« befand Mama abschließend.
     
    Schließlich erzählte ich ihr doch noch, was die Kriegsgefangenen über ihren berühmten Sohn gesagt hatten. Sie hörte mir aufmerksam zu, aber was sie dachte oder ob sie sich darüber freute, war nicht rauszukriegen.
    Später hatte sie offenbar noch mal einen schwachen Moment, denn plötzlich rief sie aus: »Hast du ihn etwa in den Saepta allein gelassen?«
    »Wen? Geminus?«
    »Irgendwer sollte ihn dort wegholen.« Prompt fühlte ich mich in die Enge getrieben, ein untrügliches Zeichen dafür, daß meine Mutter mir wieder mal einen unangenehmen Auftrag zuschanzen wollte. »Er darf an so einem Abend nicht ganz allein in seinem Büro rumhängen. Da kommt er bloß ins Grübeln und säuft sich einen an. Heute ist Dienstag!« belehrte mich Mama. »Da ist keiner bei ihm daheim.« Genau. Papa hatte mir erzählt, daß seine rothaarige Flora dienstags in der Caupona die Buchführung erledigte. »Das Lokal hat einen neuen Kellner. Dem will sie doch bestimmt auf die Finger gucken.«
    Ich traute meinen Ohren nicht. Wenn es die Familie betraf, wußte meine Mutter über alles Bescheid. Keiner konnte ihr was verheimlichen; selbst dann nicht, wenn er seit zwanzig Jahren von zu Hause weg war.
    »Ich übernehme aber keine Verantwortung …«, protestierte ich lahm.
    Dann machte ich mich auf den Weg in die Saepta Julia.
LXXI
    Die Saepta sollten eigentlich nach Dunkelwerden schließen, doch an diese Vorschrift hielt sich kaum jemand. Juweliere machen nun mal abends das beste Geschäft. Mir hat die gelöste Stimmung um die Zeit schon immer gefallen. Dann werden die Girlanden aus lauter kleinen Lämpchen rings um die Säulenhallen angezündet; die Menschen entspannen sich; von den Wägelchen der Imbißverkäufer duftet es nach würzigem Braten
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