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Poseidons Gold

Titel: Poseidons Gold
Autoren: Lindsey Davis
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ging rein.
     
    Domitian Caesar war zweiundzwanzig Jahre alt; gutaussehend; robust wie ein Ochse; mit Locken, aber leider auch Hammerzehen. Während sein Vater und Titus in Staatsgeschäften unterwegs waren, wurde er von Frauensleuten erzogen und hatte statt der herzlichen Art seines Bruders den introvertierten Starrsinn entwickelt, den man oft bei Einzelkindern findet. Bei seinen ersten Auftritten im Senat hatte er Fehler gemacht und wurde dazu degradiert, Festspiele und Dichterwettstreite zu organisieren. Inzwischen machte er in der Öffentlichkeit eine gute Figur, aber ich mißtraute ihm trotzdem.
    Dafür gab es Gründe. Ich wußte Dinge über Domitian, an die er bestimmt nicht gern erinnert werden wollte. Sein Ruf als Verschwörer war begründet: Ich war in der Lage, ihn eines schwerwiegenden Verbrechens anzuklagen. Zwar hatte ich seinem Vater und Bruder Diskretion versprochen – aber es war dieses Wissen, das mich bewogen hatte, von den beiden jungen Caesaren gerade ihn zu wählen, und voller Zuversicht trat ich heute abend vor ihn.
    »Didius Falco!« Beamte hatten mich angemeldet. Aus der Begrüßung ließ sich unmöglich entnehmen, ob der junge Prinz sich meiner erinnerte.
    Er trug Purpur; das war sein Privileg. Sein Kranz war relativ schlicht und ruhte auf einem Kissen. Ich sah weder Berge von Weintrauben noch juwelengeschmückte Kelchgläser, kaum Girlanden und schon gar keine geschmeidigen Tänzerinnen, die sich über den Fußboden schlängelten. Er widmete sich den Staatsgeschäften mit dem gleichen Ernst wie Vespasian und Titus. Domitian war kein zügelloser, paranoider Julio-Claudier. Dennoch wußte ich, daß er unberechenbar war. Ja, er war gefährlich, und ich konnte es beweisen. Aber nach jahrelanger Berufserfahrung hätte ich wissen müssen, daß gerade dies meine Position nicht stärkte.
    Im Saal wimmelte es natürlich von Gefolge. Sklaven, die aussahen, als hätten sie was zu arbeiten, gingen, wie immer im Audienzsaal der Flavier, ruhig und scheinbar unüberwacht ihren Geschäften nach. Aber es war noch jemand da. Domitian deutete auf eine Gestalt im Hintergrund.
    »Ich habe Anacrites gebeten, an unserem Gespräch teilzunehmen.« Meine Bitte um Audienz war dem jungen Caesar ausgerichtet worden, lange bevor er mich hineinzitierte; und während meiner öden Warterei war diese Katastrophe vorbereitet worden. Domitian glaubte, ich käme als Agent, und hatte sich Unterstützung geholt.
    Anacrites war der offizielle Oberspion des Palastes.
    Er war schmallippig und verkrampft, hatte wässrige Augen und einen Ordnungsfimmel – kurz, er war ein Mann, der es in der Kunst des Geheimdienstlers, Mißtrauen und Eifersucht zu säen, zu neuen Meisterleistungen gebracht hatte.
    Von all den kleinen Tyrannen im Palastsekretariat war er der gemeinste, und von all den Feinden, die ich in Rom hatte, war er mir am meisten verhaßt.
    »Danke, Caesar, aber wir brauchen Anacrites nicht aufzuhalten. Mein Anliegen ist privater Natur.« Keiner reagierte. Anacrites blieb.
    »Und was haben Sie für ein Anliegen?«
    Ich holte tief Luft. Unerklärlicherweise schwitzten meine Handflächen. Aber meine Stimme hatte ich unter Kontrolle. »Ihr Vater hat vor einiger Zeit mit mir eine Wette abgeschlossen. Wenn ich die finanziellen Voraussetzungen erfüllen könne, würde er mich in den Bürgerstand erheben. Nun bin ich vor kurzem aus Germanien zurückgekehrt, wo ich in kaiserlichem Auftrag verschiedenes geregelt habe. Jetzt möchte ich mich verheiraten und künftig ein ruhigeres Leben führen. Mein alter Vater unterstützt diesen meinen Entschluß. Er hat vierhunderttausend Sesterzen bei einem Gutsverwalter deponiert, die in meinem Namen investiert werden sollen. Ich bin nun gekommen, die Gunst zu erbitten, die Ihr Vater mir versprochen hat.«
    Sehr schlau. Und so beherrscht. Allein, Domitian war noch beherrschter. Er fragte lediglich: »Sie sind ein Schnüffler, stimmt’s?«
    Das mit der höflichen Rhetorik war wohl ein Schlag ins Wasser. Ich hätte einfach sagen sollen: »Du bist eine Ratte, und ich kann’s beweisen. Unterzeichne diese Schriftrolle, Caesar, oder ich posaune den ganzen Mist vom Rostrum runter und mach dich fertig!«
    Seine Hoheit sah Anacrites nicht an. Anacrites brauchte sich nicht mit ihm zu verständigen. Abgesehen davon, daß zwischen den beiden sicher schon alles abgemacht war, bevor ich auch nur die Schwelle zu meiner verhängnisvollen Audienz überschritten hatte, waren die Spielregeln klar festgelegt.
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