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Undines Rache

Undines Rache

Titel: Undines Rache
Autoren: Jason Dark
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»Runter mit dem Kopf!« schrie Bill Conolly, und er hatte mir die Warnung im allerletzten Augenblick gegeben. Ich duckte mich nicht nur, ich lag flach und spürte unter mir die harten Planken des Schlauchboots, das urplötzlich einen irrsinnigen Drive bekam und wie vom Katapult geschleudert dahinschoß.
    Ich lag mit dem Kopf zum Bug hin gerichtet. Der hob plötzlich ab, Wasser schoß als funkelnder Gischtstrom über die wulstige Bordwand hinweg, klatschte nicht nur in mein Gesicht, sondern lief in zitternden Bächen auch an der regendichten Kleidung entlang. Das Ducken selbst hatte mit dem Wasser nicht viel zu tun gehabt. Mehr mit den tiefhängenden Zweigen der Bäume, die wie böse, starre und auch starke Arme nach uns griffen. Fast hautnah jagte das Schlauchboot unter den Ästen hinweg, auf einem schäumenden, gurgelnden und schmatzenden Wasserlauf, der es mit seiner ungeheuren Kraft mitriß. Dagegen kämpften Menschen-und Motorkraft vergebens an, und so waren wir gezwungen, uns den Fluten zu ergeben.
    Für manche Menschen mochte so etwas ja toll ein, vor allen Dingen für gewisse Abenteurer-Urlauber, doch an diesem kalten Vorfrühlingstag hätte ich mich lieber in einem warmen Bett wiedergefunden, als durch diesen engen Wasserkanal zu rasen, tief im Herzen der Republik Irland. Nach einer gewissen Zeit – ich lag noch immer – drehte ich zum erstenmal den Kopf.
    Ich schaute dabei in die Höhe, ohne jedoch viel erkennen zu können. Die Zweige und Äste bildeten zusammen mit dem nicht eben blauen Himmel einen einzigen, vorbeihuschenden Mischmasch, nur ab und zu unterbrochen von einigen hellen Flecken, deren Bedeutung ich mir aussuchen konnte.
    Ich zog die Beine an. Dabei stießen meine Knie gegen das Gepäck, das gut vertäut mit uns auf die Reise gegangen war. Dann entdeckte ich meinen Freund Bill.
    Er hockte am Heck. Ebenfalls in nasser Kleidung, doch auf seinem Gesicht lag ein schon impertinentes Grinsen. Wahrscheinlich freute er sich über meinen Arger. Jetzt winkte er mir sogar zu und rief gegen das Tosen des Wassers an. »Macht doch Spaß, nicht?«
    »Soll ich lachen?«
    »Ich hatte dich gewarnt. Der Trip wird keine Spazierfahrt. Man hat mir genug davon berichtet.«
    »Wie schön. Manche Menschen lügen ja auch.«
    »Nicht meine Bekannte.«
    »Schöne Bekannte hast du«, beschwerte ich mich, wollte noch mehr sagen, aber das Boot sackte plötzlich nach unten weg wie ein schwerer Stein.
    Im nächsten Augenblick bekam ich es knüppeldick. Eine Woge schwappte über. Ich hatte meinen Kopf zufällig gedreht und glaubte, in eine gebogene Glaswand zu schauen, bis mich die Gischt mit einem gewaltigen Schwall überflutete. Sie riß mir die nur locker aufgesetzte Kapuze vom Kopf. Im Nu waren die Haare klatschnaß. Das Boot hatte sich wieder gefangen, Bill ebenfalls, er lachte, nur ich war wütend.
    Im Hochsommer hätte ich mich über die Abkühlung gefreut, nicht aber zu dieser Jahreszeit, wo der Winter nicht wußte, ob er nun bleiben oder sich verabschieden sollte.
    Wieder wurde das Boot schnell, machte beinahe einen Satz nach vorn. Die Wassermassen umgurgelten und umschäumten uns. Es hörte sich an, als wären unzählige Dämonen dabei, ihr unseliges Leben durch letzte, rasselnde Atemzüge auszuhauchen.
    Wir kippten nicht mehr, wir blieben auf einer relativ glatten Fläche, das Wasser wirbelte auch nicht mehr so schnell. Es floß ruhiger, nur traute ich dem Frieden nicht. »Jetzt fehlt nur noch ein Wasserfall, und das Abenteuer ist perfekt.«
    »Den haben wir hinter uns«, lachte Bill.
    »Wieso?«
    »Wir kippten hinein. Wie auf einer Wildwasserbahn in einem Freizeitpark.«
    »Wie schön. Wo ist der Ausgang?«
    »Schau dich um, John. Du hast die freie Auswahl.«
    Ich warf Bill, als ich mich aufrichtete, einen meiner messerscharfen und tödlichen Blicke zu. In den folgenden Sekunden blickte ich mich um und mußte eingestehen, daß mein Freund recht behalten hatte. Welch eine Landschaft! Ich atmete tief durch, als ich auf die Flußmündung schaute. Dunkelgrün schimmerte das Wasser im Sonnenlicht.
    Ein See, nicht so groß, auch nicht zu klein. Ufer, die dicht bewachsen waren. Das war schon ein kleines Paradies am Wasser und schien von den Menschen noch nicht entdeckt worden zu sein.
    Der See breitete sich wie ein großes Auge aus. Im Hintergrund erhoben sich als dunkle, zackige Schatten die Berge, über denen ein rauchfarbener Himmel lag, von zarten Wolkenschleiern durchzogen. All dies machte das Bild des Paradieses
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