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Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Titel: Porträt eines Süchtigen als junger Mann
Autoren: Bill Clegg
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Krankheit nicht fliegen, und frage, ob sie mein Ticket auf den nächsten Abend umbuchen können. Unglaublicherweise tun sie das. Ich bekomme einen Platz erster Klasse am nächsten Abend um acht. Zeit ohne Ende, eine Tüte Crack, Gesellschaft organisiert, und ein Hotel in noch nicht mal einer Minute Entfernung. Ich habe gerade zwei Flüge verpasst, Kate gemailt, dass ich unsere Agentur ganz ihr überlasse, meine Karriere über Bord geworfen und meinen geliebten und zweifellos schrecklich beunruhigten Freund versetzt. All das habe ich getan, und ich könnte nicht glücklicher sein.
     
    Ich hinterlasse Nachricht auf Noahs Handy, dass ich den zweiten Flug storniert habe und morgen komme. Ich spreche ruhig und langsam, mit einem Hauch von Ärger und Genervtheit, um normal zu wirken und nicht angedröhnt. Als ich die Nachricht gesprochen habe, schalte ich das Handy aus, damit ich es nicht klingeln höre, wenn er zurückruft.
     
    Später treffe ich mich mit dem Taxifahrer, und wir stellen uns mit seinem Wagen irgendwo in Newark hinter ein 7-11. Er hat Angst, im Hotel gesehen zu werden, weil er da jeden Tag Leute hinbringt und abholt. Ich stopfe ihm die Pfeife – sparsam, weil herzlich wenig übrig ist –, und als er sie anzündet, sage ich ihm, wie geil mich das Rauchen macht. Er nickt zustimmend, als er den Rauch ausstößt, und schon gehen die Reißverschlüsse auf – erst meiner, dann seiner. Ich nehme einen Zug, und er hält sich selber und redet über seine Frau, die ihn zwar lutscht, aber nie ficken will. Ich inhaliere so scharf, dass ich mir Daumen und Zeigefinger verbrenne. Jetzt sollte ich auf der anderen Seite des Atlantiks sein, denke ich, stattdessen bin ich hinter einem 7-11, im Schatten einer Straßenüberführung zwischen Newark und New Jersey. Ich wünsche mir besinnungslosen, knochenharten Sex und erlebe stattdessen eine trübe Wichsrunde ohne den nötigen Stoff, um uns beide raufzubringen. Als sich die Tüte leert, werde ich zittrig und muss daran denken, dass ich seit fast einer Woche nicht geschlafen habe. Es ist halb elf, und mein Flug geht erst morgen Abend um acht. Ich frage den Taxifahrer, ob er weiß, wo man Nachschub bekommen kann, und natürlich hat er keine Ahnung. Ich verstecke ein letztes Steinchen in der Schlüsseltasche meiner Jeans, damit noch was da ist, wenn ich in mein Hotelzimmer komme. Und ich überlege, ob ich zurück in die Stadt fahren soll – zu Mark oder zu einem Hotel irgendwo in Manhattan, von wo aus ich Happy anrufen kann. Aber New York kommt mir ganze Zeitzonen entfernt vor. Und wenn ich dorthin fahre, ist alles zu spät, dann komme ich im Leben nicht nach Berlin.
     
    Der Taxifahrer setzt mich am Marriott ab, und ich rufe Happy an, sowie ich im Zimmer bin. Nach langem Hin und Her erklärt er sich bereit, raus zum Hotel zu kommen, aber nur, wenn ich für mindestens 800 Dollar kaufe, damit es sich für ihn lohnt. Kein Problem, sage ich.
     
    Es ist kurz nach elf, als ich mit Happy spreche. Um zehn vor zwölf ruft er mich vom Parkplatz an, dass er da ist. Ich kann mich nicht erinnern, dass er in Manhattan schon mal so schnell geliefert hätte. Ich nehme den Aufzug nach unten, hole mir in der leeren Halle Geld aus dem Automaten, gehe möglichst langsam und ruhig an der Rezeption vorbei und sehe seinen roten Minivan im Leerlauf auf dem Parkplatz stehen. Mir klopft das Herz, und meine Kehle ist vor Angst so zugeschnürt, dass ich kaum sprechen kann, als ich neben ihm einsteige. Happy trägt wie üblich weiße Sweatpants und ein schwarzes Kapuzenshirt. Nur die großen Kopfhörer, die er sonst umhängen hat, fehlen. Er ist Anfang dreißig, stammt aus Dominica, und außer Mengen, Adressen und Röhrchenzahl haben wir uns wenig mitzuteilen. Auch heute ist er ruhig wie immer, obwohl er von Manhattan extra zum Flughafenhotel rauskommen musste. Gemächlich und geduldig zählt er sechzehn Tüten ab und stellt keine Fragen, als er mir zwei saubere Röhrchen gibt. Ich stecke alles vorn in meine Hosentaschen, danke ihm, dass er so schnell gekommen ist, und kehre ins Hotel zurück.
     
    Hätte irgendjemand beobachtet, wie ich – wegen des 200-Dollar-Limits mehrmals hintereinander – die Scheine aus dem Geldautomaten geholt habe, damit zu einem Van mit laufendem Motor und getönten Scheiben spaziert und Minuten später mit ausgebeulten Taschen zurückgekommen bin, könnte er sich ohne allzu viel Phantasie ausmalen, was da vorgegangen ist. Aber so durchsichtig und halbgar die Aktion
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