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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter
Autoren: Hans G. Bentz
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Das alte Haus

1

    Fern am Horizont, über den Puppen des Getreidefeldes, das gleich am Ende der Straße beginnt, liegt ein rötlicher Schein. Dort ist das Zentrum der großen Stadt, wo noch jetzt, um Mitternacht, die elektrischen Bahnen rasseln, Reklamen flammen, die Autos in dicken Strömen durch die Häuserschluchten rollen, Züge ankommen und abfahren und Menschen in Lokalen die Gläser heben.
    Hier bei uns draußen, am Rande des Vorortes, ist schon alles still. Vielleicht, daß noch im >Hirschen< eine Skatrunde im Gange ist und Mizzi mit schlafroten Augen hinter der Theke hockt und die Männer verwünscht, die nicht nach Hause finden. Damit ist aber auch unser Nachtleben restlos erschöpft. Die anderen Häuser ruhen lichtlos im molligen Gefieder ihrer Gärten. Es sind meist große, alte Häuser, die noch vor dem Ersten Weltkrieg erbaut und damals von Kommerzienräten, pensionierten Ministerialräten, Industriedirektoren und Großschlächtern bewohnt wurden. Jetzt, nach einer ganzen Generation und entsprechender Abnützung, sind die Häuser billiger und die Bewohner meist nicht mehr die ursprünglichen Besitzer, sondern irgendwelche Mieter. Das sind auch wir: irgendwelche Mieter. Aber wir lieben unser großes, gemütliches Haus, als sei es das eigene. Es ruht inmitten des weiten und leicht verwilderten Gartens unter dem Mond, der seine Ziegel in Silberplatten verzaubert und seine Fensterscheiben im opalen Licht ertrinken läßt.
    Unter unserem Dach wohnen sieben Personen. Als erste sei die Mama erwähnt, die sich dem achtzigsten Jahr nähert, wie ein Wiesel die Treppen ‘rauf und ‘runter saust, den ganzen Haushalt zusammenhält und in jedem Augenblick auf das Schlimmste gefaßt ist, besonders was ihre Kinder — meine Gefährtin und mich — betrifft. Sodann kommt besagte Gefährtin, die den Kriegsnamen >Frauchen< führt. Ihr Optimismus ist unbegrenzt, ihr Interesse für Haushaltskram um so begrenzter. Sie hat sehr viel Geschmack und Chic und liebt das Haus voller Gäste. Sie ist in jeder Beziehung das absolute Gegenteil der Mama. Vielleicht vertragen sich die beiden Frauen deshalb so gut.
    Von mir selbst ist nur zu erwähnen, daß ich ein ziemlicher Eigenbrötler bin und mir das Leben damit schwer mache, daß ich Bücher, Novellen und (ohne sichtlichen Erfolg) Theaterstücke schreibe. Wir drei bewohnen das obere Stockwerk.
    Im unteren wohnt Mathilde, der Hausgeist und Küchendiktator. An ihr ist alles üppig und solide, die Gerichte, die sie kocht, ihre Körperformen und die Treue, mit der sie an uns hängt. Ihr Zimmer liegt neben der Küche. Gegenüber liegen das große Speisezimmer und das noch größere Gesellschaftszimmer, davor die Diele, von der die Treppe in breitem Schwung in den ersten Stock hinaufführt. Hier schlafen die drei restlichen Personen, die Hauptpersonen — unsere drei Hunde.
    Auch die Diele ist ziemlich groß. Ein paar abgetretene Teppiche bedecken den Boden. Eine schöne alte Kommode steht an der einen Wand, die Garderobe an der anderen, neben der Eingangstür der Schirmständer. Gegenüber, gleich neben der Treppe, ist die Kellertür. Im Keller stehen die Körbe mit den Frühäpfeln, die Mathilde und ich gestern abgenommen haben. Ihr Duft dringt bis hier herauf. Zwei vergitterte Fenster führen auf die glasüberdachte Gartenterrasse. Der Mond legt die Schatten der Gitter über die Teppiche.
    Vom Kirchturm hat es gerade Mitternacht geschlagen. Die Klänge kommen merkwürdig nah und stark durch die warme Nacht dieser Augustwoche.
    Nachdem der letzte Glockenschlag verklungen, herrscht wieder schläfrige Stille, die durch das Schnarchen Cockis nur noch tiefer wirkt. Cocki — der kleine Löwe genannt — ist unser ältester Hund (sechs Jahre), ein braun-weißer Springer-Cocker, dessen goldenschwärmerische Augen, weiche, dicke Knudeipfoten und mollige Hüften in seidigem Fell niemanden darüber täuschen sollten, daß sich darunter einer der charmantesten Brutaliker oder brutalsten Charmeure der Gegenwart verbirgt. Er ist eine seelische Lokomotive, die alles so oder so überrennt, eine Herrennatur, die sich ganz selbstverständlich überall vordrängt, das Beste aus innerster Überzeugung für sich beansprucht und Menschen und Hunde um sich herum in dienende Sklaven verwandelt.
    Der zweite Hund, der unter seinem Deckchen an der anderen Wandseite liegt, ist Peter, eine Mischung aus Pudel und Drahthaarfoxl. Er ist Cockis treuester Sklave, war es von Anfang an, als er vor vier Jahren sein
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