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Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Titel: Porträt eines Süchtigen als junger Mann
Autoren: Bill Clegg
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dem sie das mit viel Trara kundtun. Manchmal stellt er sich das nicht nur vor, sondern meint wirklich zu hören, wie sie leise
Monster
sagen.
     
    Sie fahren also. Sein Vater lässt sich weiter über Hauswertminderung und bevorstehende Hausverbote aus. Aus dem Radio brummelt weiter der Sender, der noch Jahre später für ihn die tristeste aller trostlosen Geräuschkulissen sein wird, der Sender, der in jedem alten und neuen Auto seines Vaters ertönt. Als sie den Highway verlassen und über die gewundenen Straßen Connecticuts heimwärts fahren, ist es still bis auf das gelegentliche Klicken der Pfeife zwischen den Zähnen. Die Außenwelt scheint eingeweiht zu sein, der Arztbesuch und die anschließenden Vorhaltungen Teil eines langgehegten, allseits befürworteten Schlachtplans.
Du bist körperlich völlig gesund
, brüllt ihn sein Vater schließlich an, zweifellos gerädert von dem ganzen Tag.
Das ist reine Willenssache. Du musst dich entscheiden. Weiß Gott, was für einen bleibenden Schaden du da unten anrichtest. Was du später mal alles nicht kannst.
     
    Die letzten Sätze müssen gefallen sein, als sie schon auf der Zufahrt waren oder vor der Garage standen, denn er kann sich erinnern, dass er bei dem Wort
Schaden
auf das anthrazitfarbene Ranchgebäude geschaut und gedacht hat, ein neuer Heizkörper und eine neue Tapete sind nichts im Vergleich zu dem, was es kosten wird,
ihn
in Ordnung zu bringen.

Kompliziertes Theater
    Das Marriott am Newark Airport hat eine Bar. Kurz vor Mitternacht rufe ich in der Rezeption an und erfahre, dass sie bis um eins geöffnet ist. Ich dusche, rasiere mich und räume so gut es geht auf, ehe ich nach unten fahre, um was zu trinken und nicht allein zu sein. Ich setze mir neue Kontaktlinsen ein, denn wenn ich high bin, kann ich noch so viel Wasser trinken oder Tropfen in die Augen tun, die Linsen werden trocken und fallen heraus. Ich habe vier Paar Ersatzlinsen für die Reise eingepackt, und seit ich im Hotel bin, habe ich die linke einmal und die rechte schon zweimal gewechselt. Mir ist klar, dass ich vorsichtiger sein muss, aber noch scheint von allem – ob Kontaktlinsen, Drogen, Geld oder Zeit – mehr als genug da zu sein. Ich ziehe meinen dicken dunkelblauen Kaschmirrolli mit dem Zopfmuster an, weil ich darin nicht so dürr aussehe; außerdem ist er teuer und kaschiert, meine ich, wie total abgecrackt ich bin. Ich steige in meine Jeans, und obwohl ich den Gürtel schon bis zum letzten Loch schnalle, muss ich noch halb den Pullover reinstecken, damit die Hose nicht rutscht. In Berlin werde ich in ein Lederwarengeschäft gehen müssen.
     
    Als ich angezogen bin, ist erstmal wieder ein Hit fällig, dazu ein Glas Wodka, dann prüfe ich mein Aussehen im Spiegel, plage mich mit meinen Haaren, bis ich’s aufgebe und die Mütze vom Parks Department aufsetze. Mir ist warm, und da ich etwas geil und unruhig werde in meinen Sachen, ziehe ich den Pullover aus, lege mich aufs Bett, schalte einen Porno ein und wichse. Ein paar Minuten gebe ich mich dem schwummrigen Wohlgefühl hin, und als es nachlässt, schenke ich mir noch einen Wodka ein, um mich zu bremsen und das High abzumildern. Einen noch, denke ich, einen großen zum Mut machen. Also noch einen. Ich ziehe meinen Pullover wieder an, hampele vor dem Spiegel herum, verpasse mir noch ein paar Augentropfen, streiche mir die Haare glatt, setze die Mütze auf, schlängle mich in meine Jeans, und ehe ich mich’s versehe, liege ich wieder auf dem Bett, schimmernd, ohne Hemd, und genieße den kurzen Augenblick, bis ich wieder meine Pfeife brauche, einen Drink und eine winzigkleine Atempause vor dem Rausgehen.
     
    Schließlich komme ich hinunter in die Bar und bin sofort enttäuscht, dass der Laden beinah leer ist bis auf einzelne Pärchen und zusammen reisende Arbeitskollegen. Den rastlosen, verletzlichen Einzelgänger, den ich suche, kann ich nicht entdecken – den seelenverwandten Komplizen, die Chance auf eine lange Nacht.
     
    Ich kippe drei oder vier Wodka und werde langsam zittrig. Mehr als zwanzig Minuten ohne Hit sind zu viel, und ich bin schon mindestens eine halbe Stunde hier unten. Wodka lindert normalerweise das Zittern, glättet die kleinen Horrorwellen, die den Absturz nach dem High ankündigen, aber jetzt nützt er nicht viel. Jedenfalls wartet in meinem Zimmer der größte Batzen Crack auf mich, den ich je gesehen habe, und es gibt keinen vernünftigen Grund, die Finger davon zu lassen. Ich winke dem Kellner so
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