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Pommes rot-weiß

Pommes rot-weiß

Titel: Pommes rot-weiß
Autoren: Christoph Güsken
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dass ich mich nicht mehr zu beeilen brauchte. Zweitens: Henk war untergetaucht.
    Ich war sauer auf ihn. Er hatte mit seinem albernen Kinderspielzeug mein Leben gefährdet. Ich hatte für ihn den Kopf hingehalten und er ließ nichts von sich hören.
    Was auch immer vorging, ich hielt es für angebracht, objektiv vorzugehen. Diese Leute mochten wie brutale Schläger aussehen, aber man durfte sich nicht zu sehr von Äußerlichkeiten leiten lassen. Sie waren unhöflich gewesen. Aber was, wenn sie Grund dazu gehabt hatten? Ich wusste schließlich nicht, was mein Partner angestellt hatte.
    Dummerweise wollte mir nicht mehr einfallen, wo er seinen Urlaub verbracht hatte. Er hatte tatsächlich Neapel erwähnt, aber damit konnte er auch die Pizzeria um die Ecke gemeint haben. Henk war nie ein Italienfan gewesen, deshalb hielt ich es für unwahrscheinlich, dass er wirklich dorthin gereist war.
    »In Landhäusern teuere Weine schlürfen und Abendlicht auf sanften Hügeln betrachten, das ist was für gut betuchte Rentner«, hatte er neulich noch abfällig erklärt. »Glücklicherweise gibt es noch ein paar spannendere Dinge im Leben als Essen und Trinken.«
    Niemand fuhr in Urlaub, ohne Spuren zu hinterlassen. Es gab Reiseprospekte, Broschüren mit praktischen Tipps für die Fahrt und bunte Faltblätter mit Sprachführern, mit denen man sich am Urlaubsort blamierte. Vor allem aber gab es meistens jemanden, der vor der Abreise den Touristen zuletzt gesehen hatte.
    Barbara Bonnek war Pathologin aus Leidenschaft. Seit einigen Jahren arbeitete sie an einer Studie über Serientäter, die sich in die Länge zog, weil die Killer gefasst wurden, noch bevor sie eine Serie zusammen hatten, oder von selbst aufhörten mit dem Morden. Henk kannte sie durch einen seiner Fälle, der in seinem Büro begonnen und in der Gerichtsmedizin geendet hatte.
    »Ja?«, meldete sie sich am Telefon mit einer Stimme, die so kühl klang wie die gekachelten Räumlichkeiten der Gerichtsmedizin.
    »Babsi? – Hier ist Bernie. Bernie Kittel…«
    »Kittel! Hör mal, weißt du eigentlich, wie spät es ist?«
    »Deswegen rufe ich nicht an. Es geht um Henk.«
    Ihr Räuspern ließ mich frösteln. »Und ich dachte«, sagte sie, »es sei etwas Wichtiges.«
    »Genau gesagt, um seinen Urlaub. Weißt du, wo er hin ist?«
    »Süditalien. Keine Ahnung, wohin genau. Es war ein Rouletteangebot.«
    »Roulette?«
    »Das heißt, du zahlst weniger, aber dafür stecken die dich in ein Hotel, wo freiwillig niemand wohnen will.«
    »Und du hast ihn zum Flughafen gebracht?«
    »Wen interessiert das jetzt noch? Inzwischen ist er doch längst zurück.«
    »Weißt du das zuverlässig? Ich meine, hast du ihn wieder abgeholt?«
    »Nein. Wir sind erwachsene Menschen. Er hat sein Leben, ich meines.«
    »Stimmt«, bestätigte ich. »Aber was hat das damit zu tun, ob du ihn vom Flughafen abgeholt hast oder nicht?«
    »Zufällig weiß ich, dass er eine Tussi hat.«
    Das also war der Grund für die Eiszapfen in ihrer Stimme. Ebenso dafür, dass Henk und Babsi sich in den letzten zwei Jahren bereits fünfmal getrennt hatten. Wo andere Gespenster sahen, sah Babsi Tussis.
    »Weißt du zufällig, wer…«
    »Ist seine Sache. Er kann schließlich machen, was er will.«
    Damit legte sie auf.
    Es gehörte zu meinem Job, Leute ausfindig zu machen, aber in diesem Fall standen meine Chancen nicht besonders gut. Angenommen, Henk wusste, dass die Totschläger hinter ihm her waren, dann würde er lieber den Teufel tun, als sich irgendwo sehen zu lassen. Mir blieb nur zu warten, bis er sich bei mir meldete.
    Aber angenommen, er wusste es nicht, sondern spielte ahnungslos am Mittelmeer Roulette, dann war es höchste Zeit, ihn auf gewisse Schwierigkeiten vorzubereiten. Er sollte wenigstens Zeit genug haben, um sich auf dem Friedhof eine Grabstätte auszusuchen, wie die Kerle geraten hatten.
     
     
    Noch ein, zwei Stunden döste ich vor mich hin und wartete darauf, dass ein trüber, unfreundlicher Samstagmorgen begann, den viele damit verbringen würden, auf dem Wochenmarkt herumzustehen, sich die kalten Hände zu reiben und dem eigenen qualmenden Atem hinterherzuschauen. Viel Spaß würde ihnen das nicht bereiten, aber es machte noch weniger Spaß, in einem muffigen Buchladen übel gelaunte Kunden dabei zu beobachten, wie sie aus purer Langeweile Bücher aus den Regalen nahmen und darin herumblätterten, ohne sie zu kaufen, geschweige denn zu klauen. Aber so lange ich als Privatdetektiv Klienten begegnete
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