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Pommes rot-weiß

Pommes rot-weiß

Titel: Pommes rot-weiß
Autoren: Christoph Güsken
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schwöre«, stammelte er mit bebender Stimme, »dass hier eben noch eine Leiche war. Ein unbekannter, toter Mann. Der Mörder hat ein ganzes Magazin Kugeln auf ihn abgefeuert…«
    »Eben?«, unterbrach ich ihn. »Was heißt das genau?«
    Damit verstärkte ich nur seine Hilflosigkeit. »Was das heißt? Vor ein paar Minuten. Eben. Zehn Minuten oder zwanzig. Was weiß ich?«
    »Wieso haben Sie nicht am Tatort gewartet, wie ich Ihnen gesagt habe?«
    »Sie haben gesagt, ich sollte nichts anrühren!« Er ruderte mit den Armen. »Und das habe ich auch nicht getan!«
    »Sie haben die Wohnung verlassen und unten auf der Straße auf mich gewartet.«
    »Ja!« Er holte Luft, um mir einen Vortrag zu halten. Aber es kam nichts. Also holte er noch mehr. »Ich… ich konnte einfach nicht da drinbleiben! Dieser Mann – er sah grässlich aus. Das blutdurchtränkte Laken! Und seine Hand, die schlaff aus dem Bett hing…«
    »Schon gut!« Offenbar war Tilo Martens der Situation nicht gewachsen. »Schon gut«, beruhigte ich ihn. »Kein Grund, sich aufzuregen. Immerhin ist es doch glimpflich abgelaufen. Niemand ist zu Schaden gekommen…«
    »Niemand zu Schaden gekommen?!« Tilos Gesicht hörte auf zu zucken und seine Augen wurden schmal. »Verdammt noch mal, hören Sie denn nicht zu, was ich Ihnen sage? In diesem Bett da, habe ich Ihnen gesagt, hat eine Leiche gelegen. Und das bedeutet für mich ziemlich klar, dass hier jemand zu Schaden gekommen ist! Und jetzt ist der Tote auch noch weg!«
    »Ich habe ihn nicht weggeschafft.«
    »Ha, sehr witzig!«, schnaufte er. »Sie haben ihn nicht weggebracht! Denken Sie denn, ich war das?«
    In diesem Moment klopfte jemand an die Wohnungstür, die wir nicht geschlossen hatten. Martens erstarrte.
    »Jemand zu Hause?«, erkundigte sich eine Stimme, die mir bekannt vorkam.
    »Was will der denn hier?«, flüsterte ich.
    Mein Gegenüber atmete auf. »Ich dachte schon, die kommen überhaupt nicht mehr.«
    »Wollen Sie damit etwa sagen, Sie haben die Polizei angerufen?«
    »Wenn Sie das auch nicht glauben wollen«, belehrte er mich. »Hier ist ein Mord geschehen. Also habe ich die Polizei angerufen.«
    »Aber was mache ich dann hier?«
    »Gute Frage!« Mattau betrat das Zimmer. »Was machen Sie hier, Kittel?«
    Kommissar Mattau war ein Dinosaurier der Kriminalistik. Seine Vorliebe für abgetragene Klamotten entsprach einer Abneigung für ausgelatschte Dienstwege und Vorschriften. Längst war er von jungen, smarten Kollegen umgeben, die ständig Fortbildungen machten und viel Zeit mit Teambesprechungen verbrachten, während er Mördern schon mal ein Bier spendierte, bevor er sie verhaftete. In der Zeit der computergestützten Ermittlung wirkte Mattau wie ein ausgedienter US-Marshall, der sich in einem drittklassigen Western darüber beschwerte, dass in dieser Welt kein Platz mehr war für Leute seines Schlages. Ein US-Marshall in einem fleckigen, grünen Parka.
    »Sagen Sie nichts, Martens«, brummte er. »Lassen Sie mich raten: ein blutiger, von Kugeln durchsiebter Leichnam, das Hirn über den Boden verspritzt. Ein Anblick, der selbst Hartgesottene zu Boden streckt. Aber das Schlimmste von allem ist: Kaum, dass Sie ihm den Rücken zukehrten, war er verschwunden.«
    Tilo Martens’ Gesicht lief rot an. »Herr Kommissar, Sie müssen mir glauben…«
    »Was würde Ihnen das schon helfen? – Seien Sie froh, dass ich zufällig in der Nähe war. Wenn die Kollegen mit der gesamten Spurensicherung aufgekreuzt wären und Sie hätten ihnen dieses frisch bezogene Bett präsentiert, ich weiß nicht, was die mit Ihnen gemacht hätten.« Er wandte sich mir zu. »Und Sie, Kittel, werden mir jetzt sagen, dass dieser nette junge Mann Ihr Klient ist.«
    »Nicht er, sondern sein Vater.«
    »Na, dann herzlichen Glückwunsch.« Mattaus Gesicht verfinsterte sich. »Ich will Ihnen nicht in Ihren Job hineinreden. Aber es gibt Fälle, da sollte sich selbst ein Privatdetektiv mit chronischen Geldsorgen nicht zu schade sein, seine Klienten an die richtige Adresse zu überweisen. Zum Beispiel an einen Psychologen oder einen Spukexperten.«
    Ich stand nicht gerne als Trottel da. »Immerhin wäre es möglich«, wehrte ich mich, »dass…«
    »Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen, Kittel«, stoppte mich Mattau. »Ich weiß, dass Sie eine Vorliebe für Verbrechen dieser Art haben. – Also dann, Sie sind nicht zufällig mit dem Wagen hier?«
    »Dass die Polizei mir nicht glaubt, hatte ich schon erwartet. Aber Sie, Kittel…«
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