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Pommes rot-weiß

Pommes rot-weiß

Titel: Pommes rot-weiß
Autoren: Christoph Güsken
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es eine schlichte Zumutung. Man entkam dem Anblick nicht, er konnte einen an jedem Punkt in diesem Raum belästigen und gab einem das Gefühl, der ganze Planet werde landwirtschaftlich genutzt. Eine Art rheinischer Wilder Westen. Statt riesiger Büffelherden grasten hier und da kleine Trupps schwarzweißer Kühe und vereinzelte Traktoren erinnerten an Fliegen, die auf einem riesigen Kuhfladen krabbelten. Statt Forts gab es Autohäuser und Teppichzentren in Autobahnnähe. Und statt Goldgräber-Siedlungen ehemalige Dörfer, zu Kleinstädten aufgedunsen, mit Fußgängerzone und Mega-Disco hinter dem Ort.
    »Wenn Sie wollen, dass er einfach verschwindet«, fragte ich, »wieso wenden Sie sich dann nicht an die Polizei?«
    Martens schenkte mir ein mitleidiges Lächeln. »Ich muss mich ein wenig über Sie wundern, Kittel. Wissen Sie nicht, dass dieser Mann nichts Verbotenes tut? Er kann sich kleiden, wie er will. Er kann stehen, wo er will, so lange er niemandem im Weg steht.«
    »Und wieso steht er da?«
    »Tja, da sind wir bei der Frage, wieso ich Sie eingeschaltet habe.«
    Er goss sich Tee nach, nahm einen Schluck und behielt ihn für ein paar Sekunden im Mund, bevor ihn die Speiseröhre geräuschvoll abwärts pumpte.
    »Ich brauche einen Detektiv, keinen Schnüffler. Einen, der diskret und zuverlässig arbeitet. Henning Schmickler hat Sie empfohlen. Er sagte, dass Sie nicht billig sind. Achthundert am Tag. Ich mag gute Arbeit und weiß sie zu schätzen. Wenn Sie gut sind, zahle ich gerne tausend.«
    Am Telefon hatte er einen Henning erwähnt, der mich angeblich empfohlen hatte. Ich kannte keinen Henning. Ganz offensichtlich handelte es sich hier um eine Verwechslung, aber angesichts der tausend hatte ich es nicht gerade eilig, die Sache richtig zu stellen.
    »Es gibt Inkasso-Unternehmen, die ihr Geld mit solchen schwarzen Figuren eintreiben«, sagte ich. »So genannte seriöse Firmen, die nicht mit zwei Gorillas auftauchen und einem die Bude kurz und klein schlagen. Sie haben Sinn für Stil und stellen ihren Schuldner an den Pranger, versuchen ihn vor der Nachbarschaft bloßzustellen. Eine Methode, die sich als ausgesprochen wirksam…«
    »Schuldner?« Der Junggebliebene musterte mich abschätzig.
    »Ich habe nicht gesagt, dass Sie gemeint sind. Vielleicht geht es auch gar nicht um Geld. Wenn es in Ihrer Familie irgendwo einen – dunklen Punkt gibt. Eine Schwachstelle…«
    Martens winkte ab. »Mein Sohn«, erklärte er. »Sie haben ihn gerade kennen gelernt.«
    »Er ist der dunkle Punkt?«
    »Tilo«, erklärte er, während er den Kopf schüttelte, »schlägt nicht nach seinem Vater. Eher nach seiner Mutter.«
    Er machte eine Pause, während der ich mich fragte, ob er das Schlagen im wörtlichen Sinn meinte. Aber dann hätte er keinen Detektiv gebraucht, sondern einen Ringrichter.
    »Ich meine damit meine erste Frau. Mit Ina bin ich erst seit fünf Jahren verheiratet.«
    Ina Martens konnte ohne weiteres als Tilos Schwester durchgehen, vielleicht sogar als jüngere. Sie strahlte eine geballte Jugendlichkeit aus, die nicht natürlich wirkte, sondern wie das Ergebnis harter Arbeit. Ein so perfektes Aussehen schaffte man nicht von heute auf morgen. Es brauchte Zeit. Und wenn sie die zur Verfügung hatte, war sie vielleicht doch älter, als sie aussah.
    »Schon früher hat er sich gerne hinter dem Rockzipfel seiner Mutter versteckt. Bildlich gesprochen. Unbildlich gesprochen heißt das, dass er in der Illusion lebt, er könne es zu etwas bringen, indem er es allen recht macht. Nirgendwo aneckt. Sich anpasst.«
    »Und damit eckt er bei Ihnen an?«
    Sein Blick tauchte aus der Teetasse hoch und wandte sich an mir vorbei in eine unbestimmte Ferne. »Natürlich hat man als Vater immer gewisse Vorstellungen von seinen Kindern. Wünsche, wie sie werden sollen. Und was aus ihnen werden soll. Egoistische Wünsche. Niemand will das wirklich, aber niemand kann sich wirklich davon freimachen. Man will, dass sie aus dem gleichen Holz sind, verstehen Sie?« Martens’ Blick war der des enttäuschten Vaters. »Aber man darf das nicht erwarten. Ich habe immer dafür gestanden, dass es das Wichtigste im Leben ist, seinen Weg zu gehen, ganz egal, ob man damit aneckt. Dass man sich in dem Moment aufgibt, wo man sich anpasst.«
    Martens starrte wieder in seine Teetasse. Ich stand neben ihm, aber nicht nahe genug, um auch einen Blick hineinwerfen und mich vergewissern zu können, ob er seine kleine Rede vielleicht ablas.
    »Kim, seine
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