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0553 - Geisterstunde

0553 - Geisterstunde

Titel: 0553 - Geisterstunde
Autoren: Werner Kurt Giesa
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»Wie alt werden Wölfe eigentlich?« erkundigte sich Lady Patricia Saris. »Ich meine, dieser Bursche ist doch schon ziemlich alt, nicht wahr?«
    »Das kann man so sehen«, erwiderte Zamorra. »Wir kennen ihn jedenfalls schon viel länger, als er überhaupt leben dürfte. Als er uns das erste Mal begegnete, war er bereits relativ alt. Aber in der ganzen Zeit hat er sich nicht nennenswert verändert.«
    »Vielleicht gehört er wie ihr zwei zu den Unsterblichen?« überlegte die Schottin und wies auf Zamorra und seine Gefährtin Nicole Duval.
    »Dann müßte ihn allerdings schon Bryonts Vorgänger an die Quelle des Lebens geführt haben«, gab Zamorra zu bedenken. »Denn als wir damals vom Trank der Unsterblichkeit nehmen durften, war Fenrir nicht dabei. Außerdem hätte er dann sicher irgendwann mal darüber gesprochen.«
    »Wölfe sprechen nicht«, sagte Patricia. »Sie knurren und heulen.«
    »Und dieser verständigt sich mittels Telepathie. Sieh es uns also nach, wenn wir der Einfachheit halber von Sprechen sprechen.«
    Patricia nickte, obwohl sie bei der Vorstellung dessen, was Zamorra ihr sagte, eher mit dem Kopf schütteln wollte. Ein telepathisch begabter Wolf…?
    Sie sah aus dem Fenster. Draußen im Park hinter Château Montagne, weiter oben am Hang, tollten ihr zweijähriger Sohn Rhett, der kleine Drache Fooly und der Wolf Fenrir miteinander herum. Was genau sie spielten, ließ sich nicht erkennen, doch offenbar schienen sie sich prächtig zu verstehen. Butler William hielt sich in ihrer unmittelbaren Nähe auf - zur Sicherheit. Man konnte nie wissen, ob Fooly nicht gerade wieder einen seiner dummen Streiche ausheckte und ob dabei nicht doch mal jemand zu Schaden kam. Und unter Schaden verstand die besorgte Mutter bei ihrem Söhnchen bereits eine kleine Schramme am Knie.
    »Mich schaudert, wenn ich den Jungen in der Nähe dieses Wolfes sehe«, gestand sie. »Er ist doch ein wildes Tier!«
    Zamorra schüttelte den Kopf. »Fenrir ist alles andere als wild. Er besitzt annähernd die Intelligenz eines Menschen, und er ist ein enorm starker Telepath. Merlin hat ihn geschult.«
    »Vielleicht hat Merlin auch für seine Langlebigkeit gesorgt«, überlegte die Schottin. »Wird er eigentlich auch kommen?«
    »Das weiß wohl keiner von uns so genau«, sagte Nicole. »Fenrir hat ihn zwar eingeladen, aber scheinbar hat er noch nicht sicher zugesagt. Wenn ich ehrlich bin, traue ich's ihm auch nicht zu. Eine gesellige Runde dieser Art könnte ihn zwar ein wenig aufmuntern, aber ob er mit seiner Weltanschauung da eine wirkliche Bereicherung wäre, möchte ich fast bezweifeln.«
    Zamorra seufzte verhalten. Er hoffte, daß sich Merlin aus seinem psychischen Tief bald wieder erholen würde. Auch wenn der große, alte Zauberer von Avalon in ganz anderen Zeiträumen dachte und handelte als Menschen, weil ihm eine ungeheuer große Lebensspanne zur Verfügung stand, war es nicht normal, daß er nun schon so lange unter der Last seiner Selbstzweifel litt.
    Nach den Geschehnissen um die Amulett-Wesen Shirona und Taran hatten er und Nicole Merlin zurück in seine unsichtbare Burg Caermardhin in Wales begleitet und die Gelegenheit genutzt, dort auch Ableger der sagenhaften Regenbogenblumen anzupflanzen. Die magischen Wunderpflanzen ermöglichten es Menschen - und leider nicht nur diesen - allein durch Willenskraft, durch eine Wunschvorstellung, von einem Ort zum anderen zu reisen. Voraussetzung war, daß man eine klare Zielvorstellung hatte und daß es dort ebenfalls Regenbogenblumen gab. Wenn die Ableger in Caermardhin groß genug geworden waren und ihre Funktion ausüben konnten, würde es möglich sein, nach Belieben Merlins Burg aufzusuchen.
    Es ging Zamorra dabei weniger um ein generelles Zutrittsrecht, das Merlin ihm bisher immer verweigert hatte, sondern darum, dem Zauberer in seiner gegenwärtigen psychischen Lage hellen zu können. So sehr er Merlin und sein Verhalten der letzten Jahre kritisierte und mißbilligte, so sehr fühlte er sich ihm doch als Freund verbunden, unabhängig davon, wie Merlin das vielleicht selbst sah.
    Merlin mußte wieder der werden, der er früher einmal gewesen war…
    Fenrir hatte sich in seiner Burg aufgehalten und begleitete Zamorra und Nicole dann bei ihrer Heimreise, die natürlich noch nicht mit Hilfe der Regenbogenblumen stattfinden konnte; es würde etliche Monate dauern, bis sie groß genug waren, einen Transport zu ermöglichen. Also fand die Rückreise auf die konventionelle Weise statt
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