Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Poltergeist

Titel: Poltergeist
Autoren: Kat Richardson
Vom Netzwerk:
unzusammenhängend.

    Es war mir nicht gelungen, das Wesen schnell genug zu zerstören, um Ian vor den Erinnerungen an seine eigenen Taten zu bewahren. Jene Qualen, mit denen er hilflosen Menschen und Tieren Leid zugefügt hatte, waren durch Carlos’ Totenbeschwörung wie Gift in sein Gehirn eingedrungen. Er wirkte kleiner und wie ausgebrannt. Ich hatte nicht geahnt, dass Carlos in der Lage war, die lebendige Kraft des Wesens in Ian eindringen zu lassen, um ihn auf diese Weise in den Wahnsinn zu treiben.
    »Höllensohn«, murmelte ich. Meine Schulter und mein Knie pochten, und ich hatte nicht mehr die Kraft, meiner Wut, meinem Ekel und meiner Verzweiflung Ausdruck zu verleihen.
    Carlos lachte kalt. Die Brandnarben auf seinem Gesicht wurden schwächer. »Ich weiß. Es war nicht schwer, ihn zu brechen. Er stand auch so bereits vor dem Abgrund. Ich wollte nur sichergehen, dass er in ein Chaos stürzt und nicht erneut an Macht gewinnt. Es ist das Beste so.«
    »Ich werde es dich wissen lassen, falls ich dir irgendwann mal glaube«, erwiderte ich und versuchte mühsam, mich auf den Beinen zu halten. Mein Rücken krümmte sich vor Schmerzen, meine Zunge fühlte sich geschwollen an, und ich schmeckte Blut in meinem Mund. Die Welt um mich herum verschwamm in grellen Farben und ruhelosen Geistergestalten.
    »Sogar wenn du gewonnen hast, fauchst du noch wie eine Katze.« Ich spürte seine Irritation, die sich wie ein Beben unter seiner Belustigung ausbreitete. »Es war eine mächtige Kreatur. Du solltest dir vor Augen führen, dass es nötig war. Genau das musste sein – zum Wohl aller.«
    Draußen waren Schritte zu hören. Carlos warf einen Blick über seine Schulter. »Möchtest du fort von hier?«

    »Nein«, ächzte ich, ließ mich gegen eine Wand sinken und rutschte langsam daran herunter. »Die Polizei …«
    »Ist schon auf dem Weg hierher.« Er drehte sich um und war im selben Moment verschwunden – wie ein Schatten in der Dunkelheit.
    Ich blieb allein mit den Geistern des Wah Mee zurück. Die Erinnerung an den Überfall und den Mord vor zwanzig Jahren lief noch einmal vor meinen Augen ab. Ich wartete auf die Polizei und beobachtete dabei die Gestalt des einzigen Überlebenden, wie er nach dem blutigen Angriff mühsam aus der Bar kroch.
    Als Solis eintraf, fand er nur Ian und mich vor.

EPILOG
    Es war klar, dass man niemandem glauben und ihn vor Gericht für zurechnungsfähig halten würde, der über Geister und Vampire redete, über Sex, Tod und Frauen, die in Schleiern aus Blut und Feuer tanzten. Während seiner Anhörung half es Ian auch nicht, dass er immer wieder plötzlich zu schreien, zu fluchen und zu schluchzen begann, auch wenn die Dinge, die er sagte, der Wahrheit entsprachen.
    Es war also kein Wunder, dass er für unzurechnungsfähig erklärt wurde. Und ich hatte nicht vor, mich einzumischen und wäre niemals auf die Idee gekommen, dem Gericht zu erzählen, wie ich den Poltergeist vernichtet hatte.
    Ian war zuerst still gewesen. Er hatte ruhig neben seinem Anwalt gesessen. Sein Verhalten und seine Reaktionen hatten an ein Kind erinnert, so naiv und unkonzentriert hatte er gewirkt. Doch dann war es plötzlich aus ihm herausgeplatzt. Er hatte begonnen zu schreien und zu fluchen. Man musste ihn nach seinem zweiten Tobsuchtsanfall aus dem Saal entfernen, nachdem er die Hände vor das Gesicht geschlagen, geschrien und sich die Finger in die Augen gebohrt hatte. Er wurde in das Western State Hospital eingeliefert, wo er den Mord an Mark in den schrecklichsten Details schilderte und gestand. Ich wusste, dass er nie mehr
rauskommen würde. Carlos hatte seinen Verstand zu sehr verwirrt, als dass es noch Hoffnung auf eine Heilung gegeben hätte.
    Obwohl er nicht klar genug war, um ihn vor Gericht zu stellen, konnte doch festgehalten werden, dass er zum Zeitpunkt des Mordes noch nicht dem Wahnsinn anheimgefallen war. Ian hatte ein Tagebuch geführt, das Solis im Büro des Wah Mee entdeckte. Darin hatte er alle seine Gedanken, Gefühle und Pläne aufgezeichnet und sein Vorhaben, mit Celias Hilfe Rache zu üben, eiskalt und in grausamen Details geschildert. Alles hatte er in gestochen scharfer Handschrift penibel notiert, als ob er es bereits für die Nachwelt verfasst hätte.
    Auch mein Name hatte auf der Liste jener gestanden, die er mit Celia »auslöschen« wollte – unter denen von Ana, Ken und Cara. Der zuständige Psychiater glaubte, dass Celia ein Teil von Ians gespaltener Persönlichkeit wäre und alles,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher