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Poltergeist

Titel: Poltergeist
Autoren: Kat Richardson
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Feuer. Ich stieß einen ängstlichen Schrei aus, packte das Ding und drückte es von mir. Dann begann ich die Spirale aufzudrehen.
    »… ewig …« Es war nicht Ian. Es war Carlos, der Ian lehrte, was Grauen bedeutete.
    Endlich öffnete sich der Kern, und ich blickte in ein Netz aus menschlichem Verlangen, das sich darin verbarg. Vier abgerissene Fäden, ein weiterer, der sich beinahe aufgelöst hatte, mein eigener und ein blaues Seil, das von aschgrauer Materie und karmesinroten Leitungen umgeben war. Diese pulsierten wie Arterien. Sie schienen sich von etwas zu ernähren. Sie schwollen an, als ob Leben und Kraft in ihnen steckte. Ein grell weißer Nebel aus Erinnerung blendete mich, und ich versuchte, mich abzuwenden.
    Bilder und Gefühle explodierten in meinem Inneren: Ein Buch fiel aus der Höhe herab und traf mich an der Brust; eine fliegende Brosche verletzte meine Wange; ein Holzstück rammte sich in meinen Oberschenkel; ein Moment des Schreckens …
    Ich versuchte mich aus dem aufgeblühten Herzen des Wesens zu befreien, aus den Erinnerungen an Ians Grausamkeit, die sich im Gedächtnis der Kreatur ausgebreitet
hatten. Verzweifelt versuchte ich mich aus dem Netz des Wahnsinns zu lösen.
    Eine Woge aus Geistern rollte durch den Raum und brach sich an der Ecke, wo Carlos stand. Er redete beständig auf Ian ein. Der Totenbeschwörer goss Alpträume und Erinnerungen in die Psyche des jungen Mannes – jegliches Grauen, das irgendwann einmal gedacht worden war. Ian kauerte zitternd und wimmernd zu seinen Füßen.
    »Was tust du da?«, fragte ich atemlos. »Hör auf!«
    Carlos sah mich voll Boshaftigkeit an. »Ist er es etwa wert, dein Leben für ihn zu riskieren? Vergiss den Zauber nicht!«
    Ich warf einen Blick nach unten und bemerkte, dass die Fessel sich allmählich in einen Kreis aus Asche verwandelte. Nur noch ein kleiner Teil der Dornenranken war übrig. Erneut warf ich mich in den Kern des Poltergeists.
    Mein Herz pochte ängstlich in meiner Brust. Ich streckte meine Hand nach dem lodernden Zentrum des widerlichen roten Kerns aus – nach Ians Kontrollleitung. Meine blutenden Finger umschlossen den Energiestrang, und infernalischer Zorn raste meinen Arm entlang, um sich in meinem ganzen Körper auszubreiten. Traurig seufzend stieg eine Rauchfahne in die Luft. Die auseinandergezogenen Ebenen des Wesens ächzten, während sie in sich zusammenstürzten.
    Ich biss mir auf die Unterlippe und schmeckte Blut. Trotzdem riss ich mit aller Kraft weiter. Die Tänzer zuckten. Zeit und Erinnerung bahnten sich erneut ihren Weg, und ich schrie auf. Verzweifelt ließ ich mich nach hinten fallen und wurde von den fliegenden Messern der Geschichte ergriffen wie von einem Wirbelsturm.
    Ich landete mit dem Rücken auf dem blutbefleckten Boden. Meine Pistole rammte sich in meine Niere, und meine
Schulter knirschte, als ich aufprallte. Die Wirklichkeit verschwamm im Nebel des Grau. Ich tauchte in eine selige Bewusstlosigkeit.
    Carlos beugte sich über mich. »Du bist noch nicht fertig.« Er zog mich hoch, und wieder traf mich seine Berührung wie ein Schlangenbiss. Dann schubste er mich zu einem Seil aus blauen und gelben Fäden, das seltsam unverbunden in der Luft hing. Es schwankte in einer Brise, die sonst niemand spürte. Gleichzeitig begann die Erinnerung an den Überfall erneut zu erwachen. »Bring es zu Ende«, fügte er hinzu. »Reiß es heraus.«
    Mein linker Arm hing schlaff herunter, da meine Schulter ausgekugelt war. Also zog ich mit meiner rechten Hand den ausgefransten Faden von Celias Leitung über meinen Kopf und riss mich von ihm los. Ich hatte das Gefühl, als ob ich ein schreckliches Unkraut aus meinem Fleisch reißen würde, dessen spinnenartige Wurzeln bereits tief in meine Glieder eingedrungen waren.
    Als mich Carlos erneut berührte, kam ich für einen Moment ins Wanken.
    Keuchend blinzelte ich und stellte fest, dass der letzte Fetzen des Wesens wie in einem Sturm in der Luft kreiselte. Ich streckte meine gesunde Hand aus, ergriff ihn, und das Ding zerfiel. Ein Schauer aus gelben und blauen Fäden glitzerte für einen Moment auf und verschwand dann.
    Ich sank auf die Knie und sah zu Ian hin. Er hatte sich in der Ecke unter einem zerbrochenen Tisch verkrochen und starrte ausdruckslos ins Leere. Er schien von einem seltsamen schwarzen Nebel umgeben zu sein. Seine Lippen bewegten sich, aber offenbar sah er nichts, was normale Menschen wahrgenommen hätten. Die Worte, die aus seinem Mund kamen, waren
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