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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen
Autoren: Alfred Komarek
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verschließen.
    »Grüß dich, Simon. Der Winter kommt. Da kann man nichts machen. So. Fertig. Gehen wir in den Keller?«
    »Ja, gern.«
    Unter dem Gewölbe am Ende der großen Kellerröhre stand ein kleiner Tisch. Simon Polt sah einen weißen Zettel darauf liegen, nahm ihn neugierig zur Hand und sah ein paar unbeholfen gezeichnete Strichmännchen. »Was soll denn das, Ernstl?«
    »Wundert mich, daß du’s nicht kennst. Ein uraltes Kellerrätsel. Du mußt unter den Strichmännchen den Karl und den Franz herausfinden.«
    »Wie bitte?« Polt überlegte lange. »Ich fürchte fast, ich habe den Beruf verfehlt.«
    »Hast du nicht. Du denkst nur zu kompliziert. Ein Bauer schaut sich so etwas einfach ganz genau an und sagt dabei zu sich selbst, was er sieht.«
    »Mh.« Polt konzentrierte sich auf die Unterschiede zwischen den Männchen. »Also, der Reihe nach: Der ist groß und der ist klein, der hat Haare, der hat keine.«
    Der Höllenbauer nickte aufmunternd. »Reimt sich natürlich nur in der Mundart, nicht wahr? Weiter so!«
    »Der hat Haare, der hat keine, der ist halb und der ist ganz.«
    »Na also!« Polts Freund zeigte auf die letzten beiden Figuren: »Das ist der Karl, und das ist der Franz.«
    »Nicht schlecht. Aber ich habe es leider nicht mit Strichmännchen zu tun, und in meinem Rätsel reimt sich absolut nichts.«
    »Vielleicht hast du nur noch nicht genau genug hingeschaut.«
    »Kann schon sein. Das bedeutet aber eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Brunndorfer Weinbauern.
    Und die machen mir von Tag zu Tag deutlicher die Kellertür vor der Nase zu, die einen freundlich, die anderen weniger freundlich.«
    »Also wissen sie irgend etwas.«
    »Ganz bestimmt. Es ist so, als würden sie jemanden schützen wollen.«
    »Also einen von ihnen, bestimmt nicht Leute wie den Swoboda oder diesen Architekten, und vermutlich auch keinen wilden Hund, wie der Mike Hackl einer ist.«
    »Da gebe ich dir recht. Ich habe auch schon daran gedacht, daß es so etwas wie ein halber Mord gewesen sein könnte. Ich meine: ohne bösen Vorsatz, aber geholfen wurde erst, als es mit Sicherheit zu spät dafür war.«
    »Das klingt logisch, Simon, aber es paßt nicht zu uns. Kein Weinbauer läßt in dieser Gegend einen Nachbarn hilflos liegen. Das ist noch ein Erbe von früher, als die Dörfer auf sich gestellt im gefährlichen Grenzland durchkommen mußten. Es hat nichts mit Nächstenliebe zu tun. Das ist Gesetz hier. Ganz abgesehen davon: Möchtest du was trinken?«
    »Nein danke. Mir ist irgendwie nicht danach. Komisch. Ist dir das auch schon aufgefallen? So ein Keller ist doch immer der gleiche. Doch mit der Stimmung, die du herunterbringst, ändert er sich. Einmal nimmt er dich freundlich auf, ein anderes Mal verführt er dich, oder er will nichts von dir wissen und läßt dich allein.«
    »An dir ist ein Philosoph verlorengegangen, Simon.«
    »Das hilft mir im Augenblick auch nicht weiter.«
    »Was hast du noch vor heute?«
    »Eigentlich eine ganze Menge, nämlich nichts. Grüß die Erika von mir!«
    Dann stieg Polt bedächtig, doch ein wenig achtloser als sonst die vielen Kellerstufen hoch und schlenderte nach Burgheim zurück. In der Nähe des Kirchenwirtes sah er schon von weitem einen Streifenwagen und zwei Gendarmen stehen. Er rannte hin, sah Kreideskizzen auf dem Asphalt und fragte atemlos, was denn passiert sei. »Dieser Pahlen ist dem Schachinger ins Auto gerannt.«
    »Und?«
    »Nicht viel, Gott sei Dank. Dr. Eichhorn hat den Architekten in Swobodas Haus gebracht. Der Schachinger Josef sitzt in der Dienststelle.«
    »Habt ihr was dagegen, wenn ich schnell einmal mit dem Pahlen rede?«
    »Dein Vergnügen, Simon, in der dienstfreien Zeit. Du sagst uns ja dann auf der Wachstube Bescheid, ja?«
    Mit langen Schritten ging Polt zu den Siedlungshäusern. Gartentür und Haustür waren unversperrt. Im Wohnzimmer lag der Architekt auf einer Bettbank, und Dr. Eichhorn war gerade dabei, seine altmodische Medikamententasche zu schließen. Er blickte kurz auf. »Grüß dich, Simon. Hast du heute nicht dienstfrei?«
    »Doch. Sieht man ja. Was ist mit ihm?«
    »Er hat sich alles geprellt, was es zu prellen gibt. Gebrochen ist nichts, und das edle Denkgehäuse ist auch weitgehend unbeschädigt.«
    Pahlen hob mühsam den Kopf. »Ihre Ironie ist durchaus berechtigt, Herr Doktor. Ich mausere mich wirklich schön langsam zur akademischen Witzfigur.«
    Polt trat näher heran. »Sie machen es mir wahrhaftig nicht leicht, Herr Architekt. Und
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