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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen
Autoren: Alfred Komarek
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Keller des Albert Hahn mit Gärgas gefüllt. Ich habe das in der Absicht getan, ihn zu töten, weil er so viel Schuld auf sich geladen hat und weil ihn die Gerichte nicht fassen konnten. Ich bin allein zu diesem Entschluß gekommen und habe die Tat allein begangen. Als Albert Hahn dann seinen Keller betrat, bemerkte das mein Nachbar, Friedrich Kurzbacher, und holte mich zu Hilfe. In diesem Augenblick konnte ich nicht anders, und wir liefen in den Keller, um Albert Hahn zu retten. Er war aber zu schwer für uns, und so mußte er sterben. Da ich alt und sehr krank bin, möchte ich mir Unangenehmes ersparen und werde die Sache auf dem Dachboden mit einer Waffe erledigen, die noch aus der Russenzeit im Haus ist.
    Gott vergebe mir meine Sünden.
    Karl Brunner.
    Der Gendarm verstummte und stand da wie erstarrt.
    »Was jetzt?« fragte der Höllenbauer nach einer Weile.
    Simon Polt gab lange keine Antwort. Dann faltete er Brunners Schreiben sorgfältig zusammen. »Das ist nicht nur ein Geständnis, sondern auch ein Testament, das ich zu erfüllen habe. Gehört sich wohl so, glaube ich.« Dann ging er zum Telefon und veranlaßte alles Nötige. Wenig später übergab er in der Dienststelle das Dokument seinem Vorgesetzten.
    Karl Mank las es sorgfältig, las es noch einmal und schaute Polt fragend ins Gesicht. »Nach allem, was du weißt, ist es so gewesen?«
    »Es wäre sinnlos, dran zu zweifeln.«
    »Allerdings. Geradezu blöd. Du machst dich gleich an deinen Bericht, ja?«
    »Was bleibt mir anderes übrig.«
    Tags darauf rief Inspektor Kratky aus Wien an. Polt sah dieses illusionslose Steuerprüfergesicht förmlich vor sich. »Saubere Lösung, nicht wahr? Obwohl es einem um den Alten leid tun muß. Aber sagen Sie einmal, Herr Kollege, halten Sie moralische Entrüstung wirklich für ein brauchbares Mordmotiv?«
    »Muß ich wohl«, antwortete der Gendarm. »Vielleicht hatte er auch noch andere Gründe, die er lieber für sich behalten hat. Jedenfalls werden wir sie wohl nie mehr erfahren. Wissen Sie«, fügte er hinzu, »im Grunde hat das halbe Dorf den Hahn umgebracht, und die andere Hälfte hatte nichts dagegen.«
    Kratky seufzte. »Ihr da draußen, mit euren ehrenwerten Untätern. Da lob ich mir einen echten Gauner, bei dem man weiß, woran man ist.«
    Zwei Tage vor Weihnachten, am späten Nachmittag, wurde Karl Brunner begraben. Es war eine würdige Abschiedsfeier, an der fast das ganze Dorf teilnahm. Während nachher seine wenigen Verwandten im Gasthaus Stelzer zusammensaßen, hatten sich Nachbarn und Freunde des Toten in Friedrich Kurzbachers Keller eingefunden. Auch Simon Polt war dabei. Es wurde viel Rühmliches über Karl Brunner gesprochen. Später, als alle schon ein wenig mehr getrunken hatten, kam dann auch noch vorsichtige Heiterkeit auf. Simon Polt hielt sich abseits, doch Josef Schachinger erspähte ihn und trat näher. »Sie sind ja doch wie wir«, sagte er leise.
    »Nein, bin ich nicht«, antwortete der Gendarm fast grob, wandte sich ab, suchte den Kurzbacher. »Bist du mir böse, Friedrich, wenn ich gehe? Mir wird das alles zuviel hier.«
    »In Ordnung. Soll ich dir eine Flasche mitgeben, als Schlaftrunk?«
    »Nein, lieber nicht.«
    Kaum zu Hause angekommen, erschrak Simon Polt, weil das Telefon Lärm machte. »Ja? Polt?«
    »Ich bin’s, Karin. Dir geht es nicht gut, wie?«
    »Ja.«
    »Soll ich…«
    »Nein.«
    »Also gut.«
    Er hörte, wie sie auflegte.
    An diesem Abend trank Simon Polt keinen Tropfen. Er saß nur da und strich immer wieder mit seiner rechten Hand, die noch Spuren von Bruno Bartls Zähnen zeigte, über Stirn und Augen, als wollten Kopf und Hand einander etwas erzählen.
     
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