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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen
Autoren: Alfred Komarek
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gekommen bin, war gerade der Erste Weltkrieg aus. Vor dem nächsten Krieg habe ich keine gefunden, und nachher hat’s mich nicht mehr gefreut. Aber ich bin auch so alt geworden.«
    »Jetzt möchte ich aber noch was wissen: Von den vieren, die Albert Hahn getötet haben wollen, sind Sie doch der einzige, der nie Probleme mit ihm hatte.«
    »Stimmt.«
    »Und warum haben Sie dann mitgetan?«
    »Wenn Feuer auf dem Dach ist, muß jeder löschen, auch wenn es nicht um das eigene Haus geht, Herr Inspektor.«
    »Und was jetzt kommen wird, schreckt Sie gar nicht?«
    »Nicht mehr als ein Unwetter oder eine kranke Sau.«
    »Ich habe vor ein paar Tagen mit dem alten Herrn Stepsky geredet: Ihnen braucht keiner zu helfen, hat er gesagt.«
    »Vielleicht weiß der Anselm was. Was weiß er eigentlich nicht.«
    »Und was könnte er wissen?«
    »Sie sind ein hartnäckiger Mensch, Herr Inspektor. Und ich bin ein kranker Mensch. Krebs. Ein paar Monate wird ich’s noch machen, nicht mehr.«
    Polt war es, als hätte er einen Schlag in den Magen bekommen. Brunner lächelte ihm zu. »Erschrecken Sie nicht. Ich kann ganz gut mit dem Sterben leben. Und jetzt sage ich Ihnen noch etwas, wenn ich schon einmal beim Reden bin: Es ist ein Blödsinn, daß sich die drei anderen als Helden aufspielen. Zwei von denen haben eine Frau zu Hause.«
    »Wollen Sie damit sagen…«
    »Genau das. Mir hat im Leben nicht mehr allzuviel zustoßen können. Also habe ich den Schlauch der Dunstwinde in das Verbindungsloch zum Keller von Albert Hahn gesteckt und dafür gesorgt, daß er voll Gärgas war, bis unser Opfer gekommen ist.«
    »Und dann?«
    »Der Kurzbacher ist zu mir herübergerannt und hat gerufen: Unten ist er. Jetzt haben wir ihn! Wir haben uns angeschaut, und dann ist etwas ganz Verrücktes passiert: Wie die Wilden sind wir hinüber, um den Hahn zu retten. Glauben Sie mir, Herr Inspektor, wir hätten ihn wirklich heraufgeholt, wenn’s noch möglich gewesen wäre, und wir hätten alles getan, damit er überlebt.«
    »Klar«, sagte Polt. »Man läßt keinen hilflos im Keller liegen.« Dann senkte er den Kopf und legte sein Gesicht zwischen beide Handflächen.
    »Ist jetzt alles klar?« fragte Brunner freundlich.
    »Eben nicht. Die anderen drei hängen immer noch drin. Anstiftung, Beihilfe, was weiß ich.«
    »Verstehe.«
    Karl Brunner schaute Polt fast schüchtern ins Gesicht. »Könnten Sie mir bis morgen früh Zeit lassen? Ich muß mit denen reden und meine Sachen soweit in Ordnung bringen.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Polt.
    Karl Brunners Gesicht war ganz ruhig, und um seine Augen spielte ein kaum wahrnehmbares Lächeln. »Was ändern die paar Stunden?«
    Simon Polt sagte nichts, berührte mit der Hand die Schulter des Alten, nickte ihm zu und ging.
    Draußen war es eiskalt geworden. Polt hatte plötzlich körperlich spürbare Angst. Die schmucklosen weißen Preßhäuser standen da wie ungeschlachte Wesen aus einer vergessenen Zeit, und in ihren einfachen Gesichtern mit den kleinen Fensteraugen und Türmündern war Traurigkeit zu lesen. Es lag etwas Endgültiges in diesen klaren, archaischen Formen.
    Zu Hause angekommen, fing Simon Polt an zu trinken. Es dauerte Stunden, bis seine Gedanken endlich wie Seifenblasen platzten und sich die Bilder in seinem Kopf in träge bewegte Farben auflösten.
    Es war nichts Dramatisches. Es überkam Polt wie eine warme, weiche, erstickende Welle. Irgendwann fing er an zu weinen, leise und resignierend. Als er die Tränen im Gesicht spürte, wischte er sie mit einer unwilligen Handbewegung ab, gab sich einen Ruck und ging schlafen.
     
    Post für Polt
     
    Als der Gendarm mit trockenem Mund und Kopfschmerzen aufwachte, hatte er noch eine Stunde Zeit bis zum Dienstbeginn. Nach ein paar Sekunden begriff er auch, was ihn aufgeweckt hatte: Jemand klopfte an seine Tür.
    »Hier«, sagte Ernst Höllenbauer, »ein Brief für dich. Hat früh am Morgen ein Bub aus Brunndorf vorbeigebracht.«
    »Um Himmels willen. Gib schnell her.« Polt öffnete ungeschickt und mit zitternden Händen den Umschlag, ließ ihn achtlos zu Boden fallen und hielt dann ein liniertes Blatt Papier in den Händen, beschrieben mit klarer, ungeübter Schulschrift. Ganz oben stand »Karl Brunner, Brunndorf 28« und darunter »An Herrn Gendarmerie-Inspektor Simon Polt, Burgheim 56«. Unwillkürlich las Polt halblaut.
    Geständnis. Ich, Karl Brunner, habe am siebenten Oktober dieses Jahres mit Hilfe einer Dunstwinde und durch ein Verbindungsrohr den
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