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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen
Autoren: Alfred Komarek
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geständigen Übeltäter im Gepäck hocherfreut abgereist, und er meint, daß Swoboda auch den Mord an Albert Hahn auf dem Gewissen hat. Natürlich kann er recht haben. Aber dieser Swoboda ist so etwas wie ein aufrichtiger Lügner. Doch wer war’s dann, verdammt noch einmal? Theoretisch kommen viele Leute in Frage, aber ganz oben auf der Liste stehen nun einmal die Weinkellernachbarn. Mir wird schlecht, wenn ich nur daran denke. Auch ein Unfall kann es noch immer gewesen sein, nur glaube ich einfach nicht mehr daran.«
    Czernohorsky, der seine Aufwallung edelster Gefühle nicht ausreichend gewürdigt sah, sprang zu Boden, begab sich vor den Ofen, ließ sich zur Seite fallen und streckte vier Pfoten in die Wärme.
    Tags darauf erledigte der Gendarm erst einmal Schreibarbeit in der Dienststelle und besuchte gegen Mittag Grete Hahn, ohne genau zu wissen, was er von ihr erfahren wollte. Er stutzte, als er sah, daß sie ein schwarzes Kleid trug, wie damals beim Begräbnis.
    »Ich war heute früh beim Notar, Herr Inspektor, und da habe ich Schwarz für angebracht gehalten. Immerhin bin ich eine trauernde Witwe.«
    »Aber doch wenigstens eine, für die so halbwegs gesorgt ist?«
    »Was reden Sie von so halbwegs, mein Lieber. Mein unnachahmlicher Ehegemahl hat mich zwar auch noch in seinem Testament beschimpft und verhöhnt, aber er hat mich zu einer wohlhabenden Frau gemacht. Wirklich wohlhabend: Mir ist im ersten Augenblick die Luft weggeblieben.«
    Polt nickte zufrieden. »Es geht mich ja nichts an, aber wenn Sie es mir sagen wollen… wie soll es weitergehen?«
    »Sie meinen, mein Leben als lustige Witwe? Vielleicht geht es im Gefängnis weiter, weil ich einen dieser rotgesichtigen Weinschädel dazu gebracht habe, einen Gärgasunfall zu inszenieren. Schließlich stand ja eine Menge Geld auf dem Spiel, nicht wahr? Möglicherweise ist auch mein romantischer Liebhaber, dieser Affe Swoboda, nur ein Werkzeug meiner Hände gewesen. Am besten käme ich aber als Unschuld vom Lande davon, die jeder dahergelaufene Prinz haben will, weil es sich jetzt ordentlich auszahlt. Wissen Sie, was Ekel ist, Inspektor?«
    »Ich glaube schon«, sagte Polt unbehaglich, »doch Sie meinen wohl etwas Schlimmeres.«
    »Ich werde irgendwie damit leben müssen«, fuhr Frau Hahn fort, »und kein Geld der Welt macht es mir leichter. Trinken Sie einen Schluck mit?« Sie griff nach einer Doppelliterflasche, die unter dem Küchentisch gestanden hatte. »Ich trinke neuerdings wieder, wissen Sie?«
    Polt saß eine gute Weile ruhig da und spürte, wie Ärger in ihm hochstieg. »Sie sind aber noch so halbwegs nüchtern heute?«
    »Ja.«
    »Dann helfen Sie mir bitte. Haben Sie etwas mit dem Tod Ihres Mannes zu tun? Ja oder nein?«
    »Nein.«
    »Könnte Florian Swoboda der Mörder sein?«
    »Ja.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Er hat davon geredet, wie er es anstellen würde, mit Gärgas und so. Sogar eine Dunstwinde hatte er sich schon besorgt, um das Zeug hinüberzublasen.«
    »Früher haben Sie ihn aber für harmlos gehalten.«
    »Ja.«
    »Warum?«
    Sie lachte. »Weil einer, der mit mir ins Bett geht, nicht wirklich böse sein kann. Im Ernst: Sein Gerede war für mich die übliche Angeberei und die Dunstwinde ein blödes Kriegsspielzeug. Erst als Bartl fast daran glauben mußte, ist mir ein Licht aufgegangen.«
    »Aber Sie wissen nichts Konkretes?«
    »Nein. Oder vielleicht doch. Am Todestag meines Mannes hat mich Florian angerufen, noch bevor Sie gekommen sind, Herr Inspektor.«
    »Was hat er gesagt, möglichst wörtlich?«
    »Das ist nicht schwer, weil es nur ein paar Worte waren: Hallöchen. Florian spricht. Trag’s mit Fassung, Grete. Der Albert ist tot. Wir haben es geschafft.«
    »Und Ihre Antwort?«
    »Ich habe aufgelegt und gelacht und geheult.«
    Simon Polt erhob sich schwerfällig. »Ich bin nicht dazu da, Ihnen Ratschläge zu geben. Aber wollen Sie hören, was ich mir so denke?«
    »Freilich.«
    »Sie sollten nicht in Brunndorf bleiben, in diesem hässlichen Haus, unter Leuten, mit denen Sie nichts anfangen können.«
    Auch Grete Hahn stand auf. Sie trat an den Gendarmen heran und rückte seine Dienstkrawatte zurecht. »Wahr gesprochen, mein Lieber. Aber noch will ich nicht fort.«
    »Und warum?«
    »Sie würden mir zu sehr fehlen, Herr Inspektor.«
    Als Simon Polt vor die Tür trat, begrüßte ihn zaghaftes Sonnenlicht. Es war windstill, und die Luft roch nach nasser Erde. Er fuhr mit geöffnetem Seitenfenster in die Brunndorfer Kellergasse.
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