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Polt muss weinen

Polt muss weinen

Titel: Polt muss weinen
Autoren: Alfred Komarek
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Es war gut möglich, daß er dort einen der Nachbarn von Albert Hahn antraf und beiläufig erfahren konnte, was über die Verhaftung von Florian Swoboda geredet wurde.
    In der großen Kellergasse waren einige Preßhaustüren offen, und Autos oder Traktoren standen davor. Hangwärts, gegen den Wald zu, wo die Preßhäuser von Friedrich Kurzbacher und Karl Brunner standen, war alles ruhig. Der Gendarm stellte das Auto ab und ging ziellos ein paar Schritte. Das letzte Preßhaus in der Reihe erweckte sein Interesse. Es war eines von der alten Sorte, mit krummen, schiefwinkeligen Wänden aus Lehm, Steinen und Stroh. Der Dachstuhl war unter der Last moosiger Ziegel merklich eingesunken, ein fingerdicker Riß zeigte, daß eine Seitenmauer begann, sich gefährlich nach außen zu neigen, und große Flächen des weißen Kalkanstriches waren abgeblättert.
    Polt schaute durch eine der winzigen Fensteröffnungen. Im Dämmerlicht konnte er eine kleine Weinpresse erkennen, eine von denen, die ohne Preßbaum und Stein nur mit Muskelkraft bewegt werden. Außerdem gab es das notwendige Kellergerät, und alles war ordentlich aufgeräumt. Der Gendarm konnte sich nicht erinnern, jemals Leben in diesem Preßhaus bemerkt zu haben, und doch war hier offensichtlich vor nicht allzu langer Zeit gearbeitet worden. Eine kleine Holzbank stand neben der Tür an der Mauer. Simon Polt konnte nicht widerstehen, nahm gemächlich darauf Platz, blinzelte in die Sonne, schloß die Augen und wäre wohl auch ein wenig eingeschlafen, hätte er nicht eine Stimme gehört, die seinen Namen nannte.
    Er blickte auf und sah eine kleine, unglaublich dürre Gestalt vor sich stehen. Sie war in einen dunklen Anzug mit Längsstreifen gekleidet, wie ihn Bauern auf dem Kirtag oder bei Begräbnissen tragen. Allerdings war das feierliche Textil nicht mehr als Ganzes vorhanden, Sicherheitsnadeln hielten die verbliebenen Teile zusammen. Polt getraute sich nicht, das Alter des Mannes zu schätzen, fest stand nur, daß Friedrich Kurzbacher, der schon vor Jahren seinen Siebziger gefeiert hatte, neben ihm als Jüngling dagestanden wäre.
    »Es ist mein Preßhaus«, sagte der Alte. »Bleiben Sie ruhig sitzen, aber rücken Sie zur Seite, damit ich mich auch ein wenig ausrasten kann. Sind Sie übrigens in der traurigen Angelegenheit mit dem Albert Hahn schon weitergekommen?«
    Der Gendarm war verblüfft. »Nicht wirklich, fürchte ich. Aber woher wissen Sie…?«
    »Ich habe einen ganz kleinen Weingarten, oben am Waldrand. Was ich zum Trinken brauche, gibt er her, sogar ohne Chemie. Hat sich was mit den neumodischen Biobauern. Ich war schon vor sechzig Jahren einer. Keiner beachtet mich alten Spinner. Aber ich sehe von dort oben recht gut, was sich in der Kellergasse tut, und ich höre allerhand im Vorbeigehen, weil wegen mir keiner zu reden aufhört. Das war kein Unfall, mit dem Hahn, nicht wahr?«
    »Warum glauben Sie das?«
    »Weil es keiner gewesen sein kann.«
    »Aber mehr wissen doch auch Sie nicht?«
    »Wer weiß? Aber es gibt Dinge, die will ich nicht wissen. Warum sind Sie übrigens noch immer nicht verheiratet?«
    »Ich?«
    Der Alte schaute sich um. »Wer sonst?«
    »Ach wissen Sie, mein Beruf. Außerdem, unter uns gesagt: ich bin ziemlich schüchtern.«
    »Das habe ich gemerkt, wie Sie mit der Karin Walter am Wiesbach spazierengegangen sind.«
    Simon Polt lachte. »Schön langsam werden Sie mir unheimlich, Herr…«
    »Anselm Stepsky. Als ich zur Welt gekommen bin, war Anselm noch ein Vorname wie alle anderen. Den Vater von Albert Hahn, den Alois, habe ich gut gekannt. Mit dem war ganz prächtig auszukommen. Er und der alte Kurzbacher wollten sogar ihre Kellerröhren miteinander verbinden.«
    »Weiß ich.«
    »Na also. Es ist ein Unglück, wenn es dann in der nächsten Generation so einen Unfrieden gibt.«
    »Und dabei ist es wirklich ein Kunststück, mit dem Friedrich Kurzbacher Streit zu haben.«
    »Aber wer mit ihm einmal wirklich übers Kreuz ist, hat auch nichts zu lachen. Sie sind doch ein Freund von ihm, nicht wahr?«
    »Seit vielen Jahren.«
    »Warum helfen Sie ihm dann nicht? Er ist in einer schlimmen Lage.«
    »Aber das gilt für alle, deren Keller an den von Albert Hahn grenzen.«
    »Nicht für den Karl Brunner. Dem braucht keiner zu helfen.«
    »Weil er keinen Streit mit dem Hahn hatte?«
    »Ja, vielleicht auch deswegen. Mit dem Josef Schachinger haben Sie Probleme, wie?«
    Polt hatte es längst aufgegeben, überrascht zu sein. »Er meint, daß uns der Tod
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