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Plasma

Plasma

Titel: Plasma
Autoren: Jeff Carlson
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Kameraden.
    Nein, dachte Ruth. Sie war wie betäubt, als sie seine Absicht erkannte. Er zielt auf den Arm seines Freundes ...
    Flammen schossen aus der Mündung der Waffe und amputierten das Ameisenknäuel, aber das machte die Angriffsfläche für die Tiere nur noch größer. Ruth konnte das grauenvolle Sterben nicht mit ansehen. Sie drehte sich um und hielt nach Cam und Newcombe Ausschau, doch der Anblick, der sich ihr nun bot, erfüllte sie mit neuem Entsetzen. Immer mehr Insektenfontänen brachen aus dem Erdreich und bedeckten die Straße wie Rauch. Und von Nordosten her schob sich ein rötlicher Streifen vor – Käfer oder etwas Ähnliches. Zugleich verwirbelte eine Art Brise die Ameisenwolke. Die Maschinenpest. Ruth hegte seit Langem den Verdacht, dass selbst die Insekten nicht völlig immun gegen die Seuche waren. In ihrer Raserei erzeugten die Ameisen trotz des kühlen Mainachmittags zu viel Hitze – und in der Wolke rissen Löcher auf, als die Nanos durch die Insektenmassen pflügten.
    Gelähmt vor Entsetzen betrachtete Ruth das Schauspiel. Dann begann ihr Herz zu rasen, als eine menschliche Gestalt zwischen zwei nahen Autos hervorgeprescht kam. Cam. Er hinkte und schlug sich im Laufen mit beiden Händen gegen Kragen und Kapuze. Newcombe tauchte dicht hinter ihm auf. Ruth winkte hektisch, während ihre Augen zurück zu den Feinden schweiften und nach dem verwundeten Soldaten suchten.
    Ein flüchtiger Blick überzeugte sie. Newcombe hatte recht. Leadville war ihrer Gruppe so gut wie sicher auf der Spur, aber der Helikopter hatte sich beim Anflug vom stärkeren Wärmesignal der Ameisenkolonie täuschen lassen. Nun schienen die Soldaten erledigt zu sein. Es war ein abstoßendes Spektakel. Dichte Ameisenspiralen durchschnitten Abwinde und Strömungen, während die letzten Männer am Boden flohen und ihren blutüberströmten Kameraden an Bord des überfüllten Helikopters zerrten. Er war entweder tot oder bewusstlos, denn er rührte sich nicht. Doch das Gewusel der Ameisen wollte kein Ende nehmen, obwohl seine Freunde unentwegt auf den schlaffen Körper einschlugen, um sie abzuschütteln.
    Der andere Helikopter entfernte sich bereits, und Ruth gestattete sich ein hartes Lächeln.
    Es sah so aus, als hätten sie wieder einmal Glück gehabt.

2
     
    Das Wasser schimmerte in der aufgehenden Sonne weiß und trügerisch.
    »Halt«, sagte Cam, während er selbst noch ein paar Schritte weiterging – aber dann wich auch er argwöhnisch zur Seite. Unruhe hatte ihn erfasst.
    An diesem Morgen herrschte Windstille, und im Tal unter ihnen glänzte ein seichtes Binnenmeer im Frühlicht. Der Highway verschwand darin, obwohl er die Straße etwa zwei Meilen entfernt wieder kurz auftauchen sah. Es war ein fauliges, stehendes Gewässer, voll mit Autos, Häusern und Überlandleitungen. Und mit Spinnennetzen. Zu Tausenden klammerten sich die Seidengespinste an den Ruinen fest.
    »Wo sind wir?«, fragte Ruth hinter ihm, und Cam entgegnete: »Halt! Keinen Schritt weiter!« Er merkte selbst, dass seine Stimme zu barsch klang, und schüttelte den Kopf. »Entschuldigung !«
    »Sie kennen die Gegend«, bemerkte sie und suchte seine Augen hinter der verschmierten Schutzbrille.
    »Ja.«
    Cam wusste, dass sie in Ohio und Florida gelebt hatte und dass Newcombe an irgendeinem Ort in Delaware aufgewachsen war, aber es bestand kaum ein Zweifel daran, dass seine eigene Familie irgendwo hier auf diesen Straßen stecken geblieben und umgekommen war. Vielleicht hatten seine Leute es sogar bis hierher geschafft. Allerdings war Nordkalifornien für seinen chaotischen Verkehr ebenso berüchtigt gewesen wie Los Angeles, da sich die Greater Bay Area in einem riesigen Delta mit einer Vielzahl von Flüssen und kleineren Wasserläufen befand, was wiederum Brücken, Deiche und Staus bedeutete.
    Er war nicht so traurig, wie sie wohl vermutete. Das Land da unten wirkte zu fremdartig und gefährlich, um ihm ein Heimatgefühl zu vermitteln. Mehr als alles andere war Cam frustriert, weil er sich kein rechtes Bild vom Ausmaß dessen machen konnte, was sie erwartete.
    Ihr Ziel schien greifbar nahe zu liegen. Sie wollten den Impf-Nano an andere Überlebende verteilen, und die Sierra bildete einen eindrucksvollen Riegel gegen den Horizont, aus braunen Vorbergen und dunklen Gipfeln – wie ein Wall von Pyramiden, deren höchste Spitzen immer noch schneebedeckt waren. In einem anderen Leben hatte er drei Autostunden gebraucht, um sie zu erreichen. Aber solche
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