Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Plasma

Plasma

Titel: Plasma
Autoren: Jeff Carlson
Vom Netzwerk:
hatte, aber es ließ sich nicht leugnen, dass sie sich beide ergänzten, wie Not und Elend – Cam mit seinem von früheren Nano-Infektionen verkrüppelten Körper und der frischen Schnittverletzung an der linken Hand, die er bei den Kämpfen in Sacramento erlitten hatte, und Ruth mit ihrem gebrochenen Arm. Dazu kam, dass sie bis vor sechzehn Tagen die Hauptlast eines Nanotech-Programms an Bord der Internationalen Raumstation ISS getragen und während ihres gut einjährigen Aufenthalts in der Schwerelosigkeit jede Menge Knochen- und Muskelmasse verloren hatte, trotz Spezialernährung, Vitamingaben und Fitnesstraining.
    Da sie rasch ermüdete, konnten sie ihren Zeitplan nicht einhalten. Sie waren kaum weiter als zwölf Meilen von ihrem Ausgangspunkt entfernt, obwohl sie sich eigentlich zwanzig Meilen oder noch mehr vorgenommen hatten. Ihre Route war ein ständiges Vor und Zurück durch verstopfte Straßen gewesen. Insekten und andere Gefahren hatten sie zu Umwegen und Ausweichmanövern gezwungen. Cam schätzte, dass es Wochen und nicht Tage dauern würde, bis sie ihr Ziel erreicht hätten.
    Dennoch rechnete er mit einer allmählichen Entspannung ihrer Lage. Theoretisch musste Leadville sein Suchraster im Lauf der Zeit ausweiten. Das bedeutete, dass sie nicht mehr so viel Zeit in Verstecken zubringen würden. Ruth verlangte sich das Letzte ab. Sie wusste, dass sie das schwache Glied war. Andererseits bezweifelte Cam, dass er oder Newcombe sie tragen konnten, wenn sie vor Erschöpfung zusammenbrach, Fieber bekam oder sonst irgendwie nicht weiterkonnte. Er teilte ihre Ungeduld, aber es war wichtig, dass sie die Pausen einlegte, die sie brauchte, selbst wenn das andere Gefahren noch verschärfte. Newcombe dagegen legte Wert darauf, dass sie vorankamen, und Ruth war selbst zu getrieben, um Nein zu sagen. Doch gerade weil Newcombe aus den besten Gründen handelte, musste Cam derjenige sein, der Ruth beschützte.
    »Vielleicht finden wir ein Boot«, schlug er vor. »Ein Motorboot. Jeder Zweite hier war doch Fischer oder etwas Ähnliches. Damit könnten wir das Wasser überqueren und sogar ein Stück flussaufwärts fahren.«
    »Mmm.« Newcombe drehte sich um, und Cam folgte seinem Blick zu den überfluteten Häusern und Ruinen.
    »Wir sollten es wenigstens versuchen«, beharrte Cam und erhob sich. Sein Rücken schmerzte, im Nacken und an den Schultern brannten Ameisenbisse, und an einer Hand war ein Nerv eingeklemmt. Dennoch bückte er sich, um Ruth auf die Beine zu helfen.
    Sie nahmen den gewohnten Trott wieder auf: Cam ging an der Spitze, dicht gefolgt von Ruth und Newcombe. Sie begaben sich nach Süden, in die Richtung, aus der sie gekommen waren, aber abseits des Highways. Das neue Ufer war trügerisch. An manchen Stellen hatte sich das Wasser weit landeinwärts ergossen und die Straßen unter sich begraben. Überall standen Häuser und Zäune im Weg. Die Flüchtlinge wollten sich in Höfen und Garagen umschauen, doch an jeder Ecke lauerte eine andere Falle. Viele Zufahrten endeten im Wasser oder waren mit Unrat von der Flut verstopft – oder beides. Mehrmals musste Cam großen Ansammlungen von Spinnennetzen ausweichen. Einmal sah er Ameisen. All das kostete Zeit. Sie brauchten neuen Proviant und betraten ein Haus, das abgesehen von einem getrockneten Schlammstreifen oberhalb des Fundaments einigermaßen normal aussah. Sie hatten die Absicht, Benzin in ein paar Reservekanister zu füllen, und Ruth setzte sich augenblicklich hin, als Newcombe neben einem kleinen Honda stehen blieb und den Rucksack von den Schultern streifte.
    »Alles okay?«, fragte er sie. Sie nickte zwar, aber Cam hätte gern ihren Gesichtsausdruck hinter der Brille und Maske gesehen. Ihre verkrümmte Haltung war ein Alarmzeichen.
    »Ich habe keine Reptilien gesehen«, sagte sie. Typisch Ruth. Manchmal war es schwer, sich in ihre Logik zu versetzen. Man wusste nur, dass sie einem bestimmten Gedankengang folgte.
    »Ich auch nicht«, erwiderte Cam.
    »Aber in den Bergen gab es doch welche?«, fuhr sie fort.
    »Ja. Nicht in der Gipfelregion, aber weiter unten stießen wir auf viel zu viele Schlangen und Heerscharen von Eidechsen. Ab achttausend Fuß vielleicht. Könnten auch sieben- oder sechstausend gewesen sein.« Noch tiefer hatte er sich nicht gewagt. »Jedenfalls haben sie sich eindeutig in der Todeszone befunden.«
    »Vielleicht attackieren die Ameisen ihre Eier«, sagte sie. »Oder ihre Brut. Möglich, dass die Insekten über die Jungtiere
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher