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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
Autoren: Eric T. Hansen
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die Zukunft, und dort fanden wir es auch. Wir gehen immer wieder neu aus der Kollision, dem Kampf, der Änderung hervor, und wir zahlen den Preis: Unsicherheit. Irrationalität. Drama. Overkill.
    Aber wir kriegen auch was dafür. Es ist die heiße, irrationale Liebe zu einem Staat, die Amerika ausmacht, und das Gefühl: Er gehört dir, du hast die Pflicht, etwas daraus zu machen, egal, wer du bist. Los jetzt! Und wir folgen diesem Gefühl, die Begabten wie die Bekloppten. Deshalb bringen wir so viel Schreckliches und so viel Schönes hervor.
    Das liebe ich einfach. Und ich weiß:
    Amerika wird erst an dem Tag fallen, an dem die Amerikaner nicht mehr an ihr Land glauben. Denn es ist nicht nur ein Staat.
    Es ist ein Zustand.
    An dieser Stelle muss mal gesagt werden, dass viele Deutsche den Eindruck haben, dass wir Amerikaner viel patriotischer sind, als eigentlich notwendig ist, und es gibt einen Grund dafür: Wir sind viel patriotischer, als eigentlich notwendig ist! Manchmal sind wir es selbst dann, wenn wir es gar nicht sein wollen. Zum Beispiel, wenn die Nationalhymne einsetzt.
    Wie die Deutschen singen auch wir nur eine Strophe – nicht, weil die anderen verboten, sondern weil sie langweilig sind. Selbst die Strophe, die wir singen, ist in ihrem Patriotismus ein wenig peinlich. Sie endet ja mit dem überheblichen Satz: »The land of the free and the home of the brave« – »Land der Freien und Heimat der Tapferen«. Schon 1986 hat die Popkünstlerin Laurie Anderson in dem Film Home of the Brave diese Zeilen demontiert: »Land of the free and the home of the brave?«, singt sie – »Ha!« Weil … na ja, manchmal ist es so, oft aber auch nicht.
    Dennoch treibt uns die erste Strophe regelmäßig Tränen in die Augen. Es liegt an der Geschichte hinter dem Text.
    Das Lied, das wir heute The Star-Spangled Banner nennen, war ursprünglich ein Gedicht mit dem Titel Defence of Fort McHenry und wurde 1814 von dem sonst unbekannten Dichter Francis Scott Key verfasst.
    Das war das Jahr, in dem die Briten ein letztes Mal versuchten, Amerika zurückzuerobern. Um ehrlich zu sein, hatten eigentlich wir 1812 den Krieg mit ihnen angefangen, und es sah auch zunächst ganz gut aus, denn die Briten kämpften gerade in Europa gegen Napoleon und konnten kaum was unternehmen, als wir in Kanada einmarschierten. Als sie dann aber doch merkten, was wir angestellt hatten, wurde es böse. Mit ihrer kampferprobten, höchst professionellen Armee walzten sie uns gleich in mehreren Schlachten nieder. Und nachdem sie Kanada zurückerobert hatten, marschierten sie weiter über die Grenze. Sie waren unaufhaltsam. Zu unserer Schande nahmen sie 1814 die Hauptstadt Washington, D.C., ein und brannten tatsächlich das Weiße Haus nieder. Das war richtig gemein, und langsam dämmerte es uns, dass es diesmal ernst werden könnte: Es bestand die reale Gefahr, unseren jungen, selbst gebastelten Staat wieder zu verlieren.
    Francis Scott Key war ein junger amerikanischer Anwalt. Mit einer weißen Fahne bestieg er in diplomatischer Mission ein britisches Schiff vor Baltimore. Es ging um einen Gefangenenaustausch. Die Verhandlungen ließen sich gut an, aber in der Nacht wurde er auf dem Schiff festgehalten, denn die Briten griffen gerade die Stadt an.
    Umgeben von Briten schaute er zu, wie sie die Festung vor Baltimore, Fort McHenry, bombardierten. Im Schein der Flammen konnte er immer wieder erkennen, dass die amerikanische Fahne noch über dem Fort wehte, aber spät in der Nacht wurde es zu dunkel, und er wusste nicht mehr, ob das Fort noch stand.
    Erst am Morgen sah er, dass die Flagge noch da war. Da setzte er sich hin und schrieb sein Gedicht über das »mit Sternen bestreute Banner« – die damalige Fahne mit 15 Sternen und 15 Streifen – auf die Rückseite eines Briefes.
    Die meisten Amerikaner heute wissen nicht viel von diesem Krieg. Er ist ja nicht unbedingt eine unserer Sternstunden. Ich selbst hatte nur flüchtig in der Schule davon gehört, und die nackten Details über das Abfackeln des Weißen Hauses erfuhr ich erst von einem Kanadier, der erstaunlicherweise wirklich eine Menge darüber wusste.
    Aber wir kennen die Geschichte von Francis Scott Key und der Fahne: Weht sie noch? Es war schon damals, vor 200 Jahren, genau die gleiche Frage, die mein Vater uns Kindern auch am Esstisch vorsetzte: Wird unser Land fallen? Wird es überleben?
    Die letzte Zeile mit »Freiheit« und »Tapferkeit« kennt man auch außerhalb der USA , aber ich verrate
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