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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
Autoren: Eric T. Hansen
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wurde 12 Monate ins Gefängnis gesteckt, dann aber doch freigesprochen. Bis er rauskam, waren auch die meisten Puritaner der Meinung, dass sie wohl etwas über die Stränge geschlagen hatten. Ein Fastentag für die Opfer wurde ausgerufen. Man ging systematisch daran, die Beschuldigten, die noch lebten, freizusprechen. Diverse hitzköpfige Prediger, die involviert waren, gaben sich nun zerknirscht. Eines der selbsterklärten Opfer vermeintlicher Hexerei, Ann Putnam Jr., bat 1706 öffentlich um Entschuldigung. Die Kolonie zahlte Kompensation an die Überlebenden und deren Familien aus.
    Irgendetwas war schiefgegangen mit dem perfekten Gottesstaat, der »City on the Hill«. Es hätte so schön sein können, aber irgendwann war alles außer Kontrolle geraten. Wäre das Experiment gelungen, wenn man nicht versucht hätte, die Indianer zu bestrafen? Oder wenn man die Quäker in Ruhe gelassen hätte?
    Oder wäre es auch dann schiefgegangen?
    Seit einigen Jahren geht in Amerika der Begriff des »nation building« um. Gemeint ist der (Wieder-)Aufbau eines ausländischen Staatswesens, zum Beispiel in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, in Afghanistan oder im Irak, aber auch in afrikanischen Staaten. In Amerika selbst fing das »nation building« mit den Puritanern an.
    Ihr Experiment, aus dem Nichts einen idealen Staat zu errichten, war bis dahin ohne Beispiel. Die Staaten in Europa waren ja seit Jahrtausenden in aller Ruhe gewachsen. Immer wieder mal mussten sich Europäer mit regionalen politischen Problemen beschäftigen, aber eher selten mit der grundsätzlichen Frage: »Wie baue ich einen Staat auf? Wer ist der Chef hier? Und warum?« Die Puritaner schon. Dennoch legten sie los und erfanden ganz nebenbei die gute alte amerikanische Methode des »try and error«.
    Damit etablierten sie eine Tradition, die in Amerika seither kontinuierlich fortgeführt wird. Den Gründervätern über 150 Jahre später ging es längst nicht mehr um einen Gottesstaat, sie wollten eine moderne Demokratie ins Leben rufen. Doch 1776, nach dem Unabhängigkeitskrieg, mussten auch sie die Frage: »Was gehört denn jetzt nun zu einem Staat?« in Windeseile beantworten. Seitdem wird sie immer wieder aufs Neue gestellt: in den Zusatzartikeln zur Verfassung, im Rahmen der Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, in jedem Wahlkampf. Ja, auch dort. Denn wir wissen aus Erfahrung, dass alles an einem Staat Verhandlungssache ist.
    Muss ein christlicher Staat die Ehe als Bund zwischen Mann und Frau definieren, oder gehen die Freiheit und Gleichheit von Minderheiten vor? Darf ein unparteiischer Staat einigen Bürgern Steuern aus der Tasche ziehen, um anderen Bürgern damit unter die Arme zu greifen, oder überschreitet er damit seine Kompetenzen? Muss ein demokratischer Staat, der auf der Idee der Freiheit beruht, eingreifen, wenn ein Tyrann in einem anderen Staat seine Bürger misshandelt? Oder muss man die Freiheit des anderen Staates, zu tun, was er für richtig hält, respektieren?
    Meine deutschen Freunde halten uns Amerikaner eher nicht für übermäßig politisch interessierte Typen. Als Beweis dient Hollywood: Actionfilme, Western, Science-Fiction, Thriller und romantische Komödien, wohin man schaut. Wo bleibt der Problemfilm, wo das politisch bewusste Sozialdrama?
    Es handelt sich um ein Missverständnis. Amerikanisches Kino ist durch und durch politisch, aber wir beschäftigen uns nicht mit sozialen Fragen, sondern mit der Frage des »nation buildings«.
    Denken Sie nur an den Action-Thriller Staatsfeind Nr. 1 mit Will Smith: Hinter den ganzen Autoverfolgungsjagden, Schlägereien und Spionagetricks steckt die Frage: Wann schlägt die technologisch effiziente Verbrechensbekämpfung in einen Überwachungsstaat um?
    In der actionreichen Sci-Fi-Fernsehserie Battlestar Galactica werden in einer Raumschiff-Kolonie sämtliche möglichen Staatsformen ausprobiert (zählen Sie mal mit!), inklusive aller nur jeweils denkbaren Schwächen und Krisen und vor allem auch unter Berücksichtigung der Frage: Wann kann man einem erklärten Erzfeind vertrauen, wenn er einem zusichert, er habe sich geläutert und wolle jetzt gemeinsame Sache machen? Die Antworten sind verblüffend …
    Actionfilme wie Die Hard oder die moderne Western-Serie Justified werfen immer wieder die Frage auf, wann ein Rechtssystem funktioniert und wann es versagt. Wenn ein Actionheld »die Regeln bricht« und »im Alleingang« mit »zweifelhaften Methoden« die Schurken zur Strecke
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