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Pink Hotel

Pink Hotel

Titel: Pink Hotel
Autoren: Anna Stothard
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Kaffeeketten und furchtbare Teeny-Bopper-Boutiquen, die David ausnahmslos
ignorierte. Ohne vom Gehweg aufzusehen, bog er an der nächsten Ecke schließlich
in einen Supermarkt ein. Es war eines dieser Gebäude mit Flachdach,
extrabreiten Fenstern und großen Türen, die wie gähnende Plastikmünder
aussahen.
    Ich spähte durch das Fenster und sah David, eine Einkaufsliste in
der einen und einen Korb ungelenk in der anderen Hand. Das Neonlicht betonte
die Müdigkeit seiner Augen. Er nahm Dinge wie Dosensuppe und Fertignudeln aus
den Regalen und legte sie zögernd in den Korb. Noch nie hatte ich David etwas
einkaufen sehen, das man kochen musste. Er aß Oreos und Schinkensandwiches mit
Butter, aber ohne Kruste, oder er brachte Thai-Essen mit nach Hause, also
kaufte er wohl für seine Cousine ein. Ich beobachtete, wie er sich für [348]  eine
Pastasoße entschied, was eine Weile dauerte, dann Richtung Hackfleisch und Eier
weiterlief, aber die Bananen vergaß.
    Als er den Laden verließ, stand ich rechts von der Tür am Fenster,
so dass er mich sehen musste, sobald er ins Freie kam. Ich konnte nicht anders.
Ich wusste zwar nicht genau, was ich zu ihm sagen würde oder wie es mir dabei
gehen würde, aber meine Haut kribbelte, so sehr wollte ich, dass er mich ansah.
Doch David wandte sich genau in die entgegengesetzte Richtung, aus der er
gekommen war, und bemerkte mich nicht. Mit gesenktem Kopf ging er ein paar Meter
weiter in einen winzigen Park.
    Auf dem Schild davor stand, es sei eine Gartenanlage, doch
eigentlich war es nicht viel mehr als ein Rechteck aus verdorrtem Gras zwischen
zwei Häusern. Es gab eine Bank und eine kaputte, von Möwen- oder Taubendreck
verklebte Schaukel. Graffiti bedeckten die bröckelnden Backsteinmauern, und in
den Ecken türmte sich Abfall, als wäre es nachts eher ein Treffpunkt für
Jugendliche als tagsüber einer für Kinder zum Spielen.
    David stellte die Einkaufstüten in den Schatten unter einen Baum und
setzte sich auf die Bank, die Ellbogen auf die Knie und den Kopf in die großen
Hände gestützt. Ich blieb einfach am Eingang des Parks stehen und beobachtete
ihn. Leute gingen vorbei, doch niemand trat durch das Tor. Ich hatte meinen
Schulrucksack über der Schulter und trug die Jeans, die David mir gekauft
hatte, dazu ein schwarzes T-Shirt und die kleinen Perlen, [349]  in deren Fassung
man den Klebstoff sah. Erst als Flugzeuglärm die Luft erfüllte, erwachte er aus
seiner Starre. David blickte geistesabwesend und stirnrunzelnd in den Himmel,
bemerkte dann einen Schatten am Tor und drehte sich zu mir um.
    Mein Herz pochte, als er mich ansah. Vielleicht ist Liebe eher
einfältig als blind. Jedenfalls war das Gefühl immer noch das Gleiche, trotz
allem, was geschehen war. Zögernd winkte ich vom Tor her, doch er rührte sich
nicht, glotzte mich nur an.
    »Du hast die Bananen vergessen«, sagte ich nach langem Schweigen. Es
war vollkommen sinnlos, aber es musste reichen. Er lächelte andeutungsweise,
und wieder sagte eine ganze Weile niemand etwas.
    »Scheiße«, murmelte er schließlich.
»Stimmt.«
    Ich machte einen Schritt nach vorn in das Gärtchen.
    »War das deine Cousine?«, fragte ich.
»Die auf dem Balkon?«
    »Ja«, sagte er. »Sie ist in Ordnung.«
    »Bist du in Ordnung?«
    »Ja. Und du?«
    »In Ordnung«, sagte ich. Wieder flog ein Flugzeug mit einem
pochenden Geräusch über unsere Köpfe hinweg. Der Lärm setzte sich zwischen den
Häusern fest, wühlte zwischen den Mauern der Parkanlage, was ich dazu nutzte,
mich neben David auf die Bank zu setzen. Er richtete sich auf, und ich fragte
mich, ob seine Haut genauso prickelte wie meine. Ein Bild kam mir in den Sinn,
wie seine Haut auf meiner Haut schwitzte, während wir auf dem Bett lagen, er drückte
meine [350]  Handgelenke nach unten, und meine Hüften stemmten sich im Dunkeln
gegen seinen Körper. Ich erzählte ihm weder vom Krankenhaus noch vom Laguna
Highway.
    »Wann ist deine Gerichtsverhandlung?«, fragte ich.
    »In zwei Wochen«, sagte er und blinzelte.
    »Sie war aufgewühlt. Sie ist zu schnell gefahren«, begann ich, doch
die Worte kamen mir bedeutungslos vor. »Sie hatte keinen Helm auf.« Er
reagierte nicht, und wir saßen ein paar Minuten schweigend da, vielleicht zwei
Zentimeter voneinander entfernt.
    »Es tut mir so leid«, sagte er. »Ich kann dir gar nicht…«, er
verstummte.
    »Lass es«, sagte ich.
    Ich bot ihm eine Zigarette an. Wir zündeten jeder seine an und
starrten eine halbe Ewigkeit auf die
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