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Pink Hotel

Pink Hotel

Titel: Pink Hotel
Autoren: Anna Stothard
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hinter
mir ins Schloss fiel und die Geräusche von unten dämpfte. Über mir hing eine
staubige nackte Glühbirne von der Decke, in den Dielenritzen hatte sich Sand
gesammelt. Die Wände waren in der Farbe von gekochtem Lachs gestrichen, viel
blasser als die leuchtend pinkfarbene Fassade des Strandhotels. Durch einen
Türrahmen links von mir sah ich in die Küche, leer bis auf einen blauen Resopaltisch
und zwei gepolsterte Holzstühle. Der Tisch war mit schmutzigen Gläsern und
heruntergebrannten Duftkerzen übersät, in der Spüle stapelte sich dreckiges
Geschirr. Ich ging an weiteren offenen Türen auf beiden Seiten des Flurs vorbei – ein Wohnzimmer mit Flachbildfernseher, ein WC ,
ein kleines Arbeitszimmer mit einem Schreibtisch, auf dem sich Papiere türmten.
Die einzige geschlossene Tür war die ganz am Ende.
    Wenn man Sehnsucht nach etwas haben kann, das man nie gekannt hat,
dann war es diese Sehnsucht und ein wenig Neugier, warum ich mich erst auf ihr
Bett legte und mir dann nebenan in der Wanne ein Bad einlaufen ließ. Ein
Schmutzrand, gesprenkelt mit millimeterlangen Haarstoppeln, zeugte vom letzten
Mal, als sie oder ihr Mann darin gebadet hatten. Von unten hörte man immer noch
Partylärm, und ich schloss die Badezimmertür ab, um mich auszuziehen, wie sie
es bestimmt unzählige Male getan hatte, wenn auch vermutlich weitaus eleganter.
Kein Taumeln, weil sich ihre Knöchel im Gummibund [9]  der Jogginghose verfingen,
und wahrscheinlich auch keine Kratzer und Schnitte, die brannten, wenn sie sich
ins heiße Wasser sinken ließ. Nirgendwo wäre Grind aufgequollen und hätte sich
schließlich abgelöst wie bei mir. Bestimmt war ihre Haut makellos. Ich
schlürfte aus meinen hohlen Händen Badewasser und ließ es langsam über die Unterlippe
rinnen. In der Wanne zusammengekauert, die Arme um die Knie geschlungen und die
Nase knapp über den Schaumbläschen, roch ich nichts als das Badewasser. Eine
Motte sah vom Fenstersims über der Wanne zu und ließ sich die Flügel bedampfen.
Vor dem Fenster strahlend blauer Himmel und Palmen. Ich bespritzte meine
Mottenzuschauerin mit Wasser, und sie flatterte zur Lampe über dem Spiegel.
    Ich überlegte, was Dad wohl gerade tat, und stellte mir vor, wie er
nägelkauend an unserem schmierigen Küchentisch saß, während seine Frau Daphne
in der Küche auf und ab lief. Auch wenn Daphne sich bestimmt größte Mühe gab,
wegen der gestohlenen Kreditkarte nicht laut zu werden, würde sich ihre Stimme
immer wieder schrill überschlagen, nur um dann an der eigenen Wut zu ersticken.
Mit knochigen Fingern würde sie sich unablässig durch das glanzlose Haar
fahren, während ihre Gummisohlen auf den Plastikfliesen quietschten. Dad würde
stumm seinen Gedanken nachhängen und vorgeben, Daphne zuzuhören, wie sie
dieselben wütenden Vorwürfe nur unwesentlich abgewandelt wiederholte, bis sie
heiser war. Nur dass sich diese Szene schon vor Stunden abgespielt haben
musste. In Lilys Schlafzimmer war es Mitternacht, also musste es zu Hause
bereits früh [10]  am nächsten Tag sein. Nachdem sie sich die ganze Nacht
angeschrien hatten, würden sie sich jetzt in allmorgendlicher Übellaunigkeit
anziehen, Instantkaffee aufgießen und das Café öffnen. Daphne mit fest zusammengekniffenem
Mund, weil sie samstags nicht gern arbeitete, während Dad Geschirr und Besteck
auf Tischplatten knallte. Dad war ein völlig anderer Typ als der Rothaarige
unten. Während der etwas Schlangenhaftes an sich hatte, wie seine Schuhe,
bewegte Dad sich nur, wenn es unbedingt sein musste. Das Gesicht des
Rothaarigen war hager und voller Lachfältchen. Dad hatte rundliche rosa Wangen
und tiefe Sorgenfalten.
    Ich blinzelte, um Dads Bild aus meinem Kopf zu verscheuchen, und
tauchte langsam noch ein wenig tiefer in das Badewasser ein. Gerade wollte ich
mir eine von Lilys Zigaretten anzünden – sie lagen in einer mit Schmucksteinen
besetzten Kiste mit Einwegrasierern und Badezusätzen neben der Wanne –, als im
Flur vor dem Schlafzimmer eine Diele knarrte. Die Luft im Bad war ganz von
Dampfschwaden vernebelt, und es gelang mir gerade noch, mich aus dem Wasser
hochzustemmen und ein Fenster über dem Klo zu öffnen, ehe das Knarren in Lilys
Schlafzimmer ankam. Der Dampf verzog sich. Fast wäre ich auf den weißen Fliesen
ausgerutscht, zerrte die Jogginghose über die nassen Beine, hielt den Atem an
und ging vor dem Schlüsselloch langsam in die Hocke. Ich kniff ein Auge zu und
spähte hindurch.
    Ein
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